Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Faksimile: Klaus Martin Kopitz, Der Düsseldorfer Komponist Nobert Burgmüller. Ein Leben zwischen Beethoven - Spohr - Mendelssohn, Kleve 1998, S. 287 (teilweise)
Druck: ebd., S. 288

Düsseldorf, 19ter August 1836.

den Churfürstlicher Herr Kapellmeister L. Spohr, Wohlgeboren!

Pflicht und Dankbarkeit fordern mich auf, nach meiner Reise von Paris über London hierher mich sogleich brieflich an Euer Wohlgeboren zu wenden, weil ich erfahren, daß man es versäumt hat von hier aus, wie es sich doch gebührt hätte, Sie von dem traurigen Falle des Absterbens meines Bruders Norbert zu benachrichtigen. – Er starb zu Aachen im Bade den 7 Mai d.J.1 -- Die Anerkennung seines ungewöhnlichen Talentes neben der größten Anspruchslosigkeit hat sich hier nach seinem Tode auf alle und jede mögliche Weise so lebhaft ausgesprochen, daß der zehnte Theil derselben ihn bei Lebzeiten würde glücklich haben machen können.
Ich bin gegenwärtig damit beschäftigt, Norberts musikalischen Nachlaß zu ordnen und finde unter seinen Compositionen wirklich bedeutende Schätze, leider aber auch Vieles, nur Bruchstück ist, was ich so sehr gerne zum Vortheile meiner Mutter verwenden möchte. Je geringer aber die Anzahl der fertig ausgearbeiteten Compositionen ist, desto mehr fühle ich mich verpflichtet, dieselben wo sie sich etwa vorfinden könnten, nachzusuchen. An Euer Wohlgeboren als des verewigten ehemaliger Lehrer, ergeht deshalb meine gehorsamste Bitte, falls Sie etwas noch im Besitze von Compositionen Noberts sein sollten, oder aus den Zeiten seines Aufenthaltes in Cassel dasigen Orts noch welche in andern Händen ausfindig machen könnten, mir doch dieselbe in Originale oder in Copie gütigst zukommen zu lassen.
Alle und jede Unkosten, die dadurch veranlaßt werden, erbiete ich mich so gerne dankbar wieder zu erstatten. Nicht nur daß Sie mich durch Zusendung von Werken meines geliebten verewigten Bruders, im höchsten Gerade verpflichten, sondern meiner traurigen Mutter auch den süßesten Trost verschaffen, gibt mir die Versicherung, daß Euer Wohlgeboren mir in dieser Gelegenheit, behülflich sein werden, und habe ich die Ehre mich zu Ihrem geneigten Andenken bestens zu empfehlen und mit aller Hochachtung zu zeichnen.

F. Burgmüller

Einliegenden Brief wollen Sie gütigst die gewogenheit haben2 besorgen zu laßen, und Mühe entschuldigen.

Meine Addresse ist bis zum 1 Sept
in Düsseldorf; von da ab in Paris
8 Nro rue du fl d. Poissonière.

Autor(en): Burgmüller, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Burgmüller, Norbert
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Aachen
Kassel
London
Paris
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1836081940

Spohr



[1] Vgl. Kopitz, S. 276ff.

[2] „haben“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.01.2022).