Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Bischoff, G.F.:8
Druck: Felicitas Marwinski, „Musik, das edelste Vergnügen ...“. Vom Collegium musicum zu Kantor Bischoffs Musikfesten. Musikkultur in Frankenhausen am Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts, Weimar 2012, S. 87 (teilweise)
Entschuldigen Sie, Hochverehrter Freund, wenn ich mir erlaube, einige Zeilen an Sie zu richten.
Unser 1ster Obist „Tietz“, zweiter Sohn des hiesigen Stadtmusikus, bittet mich dringend, ein Paar Zeilen als Empfehlung an Sie zu schreiben. Er wünschst sehnlichst: 1) einen theoretischen Curus, aber erst künftiges Jahr, bei Ihnen, oder – da Sie wahrscheinlich dergleichen Schüler nicht nehmen – bei Ihrem ehmaligen Schüler, Herr Hauptmann, durch Ihre geneigte Vermittlung zu machen: 2) eine Symphonie, welche er geschrieben, Ihrer gewogentlichen Beurtheilung vorzulegen. Zu dem Ersten habe ich ihm gerathen; zu dem zweiten nicht. Ich kann denselben überigens mit gutem Gewissen als einen soliden, höchst moralischen jungen Mann empfehlen, der sein Fach mit Lust u Eifer treibt; allein – nach meiner Meinung – zur Composition nicht so viel Zeit u Kräfte aufwenden sollte, als er thut; mir wäre es lieber, wenn er auf seinem Instrumente fleißiger exercirte, was ich ihm auch oft genug zu verstehen gegeben habe; er schreibt aber lieber. Nun, Ihr Urtheil, im Fall Sie so geneigt seyn wollen, eins zu geben, wird ihn hoffentlich auf die zu nehmende Richtung in seiner Künstler-Wallfahrt führen.
Von dem Braunschweiger Musikfeste bin ich krank zurückgekommen. Die Verwirrung war so groß, die vorwaltende, übelangebrachte Oeconomie dabei so vorherrschend, daß ich nur mit den größten Anstrengungen, von 4 Uhr Morgens an bis spät in die Nacht hinein, das übernommene Musikalische Arrangement zu Stande bringen konnte, was mir noch besonders dadurch erschwert wurde, daß ich von darauf sich beziehende Anordnungen oft gar nichts wußte und überhaupt so wenig freien Willen hatte zu thun oder zu lassen, was ich für gut fand.
Die fremden Musiker, namentlich die von Hannover, hier u Clausthal, sind mit ihrer Aufnahme sehr unzufrieden. Ich selbst mögte, unter gleichen Umständen, bei einem ähnlichen Feste nicht wieder mitwirken. Die Musik schien mir gleich von allen Anfang der Vorbereitungen an, Nebensache, das kaufmännische Plus machen aber Hauptsache zu seyn. Nun, ich glaube, daß über tausend Thaler baarer Überschuß ist. Einen solchen Überschuß hätte ich bei meinen Unternehmungen einmal haben müssen. –
Nochmals, sehr hochverehrter Freund, um gütige Nachsicht wegen dieser Störung bittend, empfehle ich mich Ihrer ferneren Gewogenheit
Immer ihr Verehrer
G.F. Bischoff
Hildesheim,
d. 7. Aug. 1836
Autor(en): | Bischoff, Georg Friedrich |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Tietz, Philipp |
Erwähnte Kompositionen: | Tietz, Philipp : Sinfonien |
Erwähnte Orte: | Braunschweig Clausthal Hannover Hildesheim |
Erwähnte Institutionen: | Elbe-Musikfeste <wechselnde Orte> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1836080743 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Bischoff an Spohr, 31.03.1836. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.04.2022).