Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,252
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 157f. (teilweise)

Frankfurt am 27 Juli 1836.

Theurer Freund!

Aus der Anlage ersehen Sie den Wunsch des Donnersberger Musik-Vereins1 durch dessen Gewährung Sie alle Musikfreunde des linken Rheinufers und auch mich zum lebhaftesten Dank verpflichten. Wenn es meine überhäuften Geschäfte erlauben, so gehe ich auch hin und kann Ihnen dann über die Aufführung Bericht erstatten. Wenn Sie einwilligen, so senden Sie gef. Partitur und Stimmen direct an K.2 F. Pilgeram in Kirchheimbolanden.
Außer meinen Berufs-Arbeiten habe ich auch die Redaktion einer Zeitung übernommen, die mit dem 1 Sept. d. J. erscheint.3 Sie sehen daß ich nicht faulenze. – Mendelssohn war vier Wochen hier um den Cäcilienverein in Abwesenheit Schelbles, dem es nicht gut geht, zu dirigieren. Auch Rossini war einige Tage hier und da ging es dann sehr pompös her mit Essen und Trinken und Musizieren.4 Ich frug ihn unter anderem warum er keine Opern mehr schreibe. Er antwortete. ,Um Italiänische Musik zu schreiben  bin ich zu gut. Wollte ich im französischen Styl schreiben so müßten es Contretänze sein; dazu bin ich zu alt. Deutsche Musik zu schreiben, das vermag ich nicht.’ –
Ob es mit diesen Phrasen ernst gemeint war, will ich dahingestellt sein lassen. – Übrigens ist Rossini ein sehr gewandter und liebenswürdiger Gesellschafter.
Wie gern unterhielt ich mich noch mit Ihnen, allein ich muß fort. Unter herzlicher Begrüßung der lieben Ihrigen, bleibe ich mit treuer

Anhänglichkeit u. Liebe
Ihr WmSpeyer.

Autor(en): Speyer, Wilhelm
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Gutzkow, Karl
Mendelssohn Bartholdy, Felix
Pilgram, Franz
Rossini, Gioachino
Schelble, Johann Nepomuk
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Kirchheimbolanden
Erwähnte Institutionen: Donnersberger Musikverein <Kirchheimbolanden>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1836072732

https://bit.ly/

Spohr



Der erhaltene letzte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 19.04.1836. Spohr beantwortete diesen Brief am 01.08.1836.

[1] Wie aus Spohrs Antwortbrief hervorgeht, Bitte um Aufführungsmaterial für Die letzten Dinge.

[2] Hier wohl Abkürzung für „Kaufmann” (vgl. „Lokalmusikvereine der bairischen Pfalz”, in: Zeitschrift für Deutschlands Musikvereine und Dilettanten 2 (1842), S. 74f., hier S. 75). 

[3] Speyer redigierte die Frankfurter Börsenzeitung gemeinsam mit Karl Gutzkow, dessen Name allerdings nicht erscheinen durfte, da er nach dem Verbot des Jungen Deutschland 1835 mit einem Berufsverbot als Publizist belegt war (vgl. Heinrich Meidinger, Frankfurt’s gemeinnützige Anstalten. Eine historisch-statistische Darstellung der milden Stftungen, Stipendien, Wittwen u. Waisen-, Hülfs- und Sparkassen, Vereine, Schulen tc. nebst einem geschichtlichen Ueberblick der in dieser Stadt erschienenen periodischen Schriften und Lokalblätter, von der ältesten bis auf die gegenwärtige Zeit, Frankfurt am Main 1845, S. 454; Edward Speyer, Wilhelm Speyer, S. 153f.; Armin Gebhardt, Karl Gutzkow. Journalist und Gelegenheitsdichter, Marburg 2003, S. 41).

[4] Vgl. Neue Zeitschrift für Musik 4 (1836), S. 210 und 5 (1836), S. 8; „Frankfurt am Main”, in: Iris im Gebiete der Tonkunst 7 (1836), S. 104; „Rossini auf Reisen”, in: Zeitung für die elegante Welt 36 (1836), S. 572; „Banket zu Ehren Rossinis”, in: Museum der eleganten Welt (1836), S. 841f. 

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.03.2016).

Frankfurt, 27. Juli 1836.

... Außer meinen Berufsarbeiten habe ich auch die Redaktion einer Zeitung übernommen die mit dem ersten September d. J. erscheint.
Sie sehen daß ich nicht faulenze. – Mendelssohn war 4 Wochen hier um den CäcilienVerein, in Abwesenheit Schelbles, dem es nicht gut geht, zu dirigiren. Auch Rossini war einige Tage hier und da ging es dann sehr pompös her mit Essen und Trinken und Musizieren. Ich frug unter andern R. warum er keine Opern mehr schreibe. Er wantwortete. ,Um italienische Musik zu schreiben:
[Nbs.]
bin ich zu gut. Wollte ich im französischen Stil schreiben so müßten es Contretänze sein, dazu bin ich zu alt; deutsche Musik zu schreiben, das vermag ich nicht.’ –
Ob es mit diesen Aussprüchen ernst gemeint war, will ich dahingestellt sein lassen. Übrigens ist Rossini ein sehr gewandter und liebenswürdiger Gesellschafter ...