Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Halberstadt den 17ten Jan. 1836.
Schon zu lange, verehrtester Herr Kapellmeister, habe ich gezögert meine Schuld abzutragen und ich muß deshalb recht sehr um Entschuldigung bitten. Ich hoffte immer Ihnen einen ausführlicheren Bericht über den Stand meines Institutes abstatten zu können, litt aber ununterbrochen an Zeitmangel.
Es hat sich noch nicht machen lassen, für meine Unternehmung die Hülfe der Regierung in Anspruch zu nehmen, ich wünschte oder hielt es vielmehr für nothwendig erst selbstständig eine Elementar Anstalt zu gründen und practisch den Weg zu zeigen, wie eine solche ohne große Opfer bestehen kann. Inzwischen wirkte ich dafür die Behörden meiner Sache geneigt zu machen. Sie wissen, daß Anfangs Gesang- und Violin Unterricht als die Aufgabe der Musikschule gestellt wurde; mit den Gesanglehrern hatte ich entschiedenes Unglück; für den Violinunterricht waren zu wenig Schüler zu gewinnen, indem die Dilettanten keine Ausdauer zeigten, diejenigen aber, welche sich der Musik widmen wollten, ohne hinreichende Mittel waren. Durch Aufnahme der Präparanden des Schullehrer Seminars sicherte ich mir wenigstens einen Stamm von Violinspielern, zur Fortsetzung der Experimente, unter denen sich doch dann und wann ein Subject findet, aus dem etwas zu machen ist. Ein besonderer Übelstand war es aber, daß Herr Maier die Violinschule sehr vernachlässigte, wie es ihm überhaupt an der nöthigen Ausdauer fehlt um einen Plan anzulegen und durchzuführen, der erst spät Früchte bringen kann und mit dessen Durchführung zahlreiche fruchtlose Bemühungen verbunden sind.
Aus eben diesem Grund konnte ich, seiner Fertigkeit im Pianoforte Spiel ungeachtet, keine Rücksicht auf ihn nehmen, als ich mit der Anlegunge einer Pianoforteschule umging. Es dauerte lange ehe ich einen geeigneten Lehrer hiezu fand und nachdem ich ihn gefunden, zeigte es sich, daß er auch zur Direction des Singvereins und der Concerte geschickt sei, daß er sich besser als Maier zur Behandlung der Dilettanten eignete und der die Zahlung eines doppelten Musikdirectorgehaltes zu lästig oder vielmehr unerschwinglich wurde, ich auch mit dem Lebenswandel Maiers nicht zufrieden sein konnte, so sah ich mich genöthtigt die Verbindung mit ihm aufzugeben. (Dem Nachfolger ist auch bereits die Zusicherung einer festen Anstellung am Seminar gegeben, was auch zu beachten war).
Was nun die Pianoforte Schule betrifft, so hat eine für den Elementar Unterricht noch keine andre Methode, Viele gründlich zu unterweisen, als die die Logiersche. Außer dem Vorzuge, daß ein Lehrer, auch wenn es nicht übertrieben wird, eine große Zahl von Schülern beschäftigen kann, hat auch die dadurch erwirkte Nacheiferung viel anregendes, es wird taktmäßiges, sicheres Spiel vom ersten Anfange an zur Nothwendigkeit und da beim Klavierspiel manches rein mechanisch ist, so scheinen mir auch mechanische Hülfsmittel wohl angewandt zu sein. Die Methode ist aber nur auf den Elementar Unterricht anwendbar, der große Haufen wird dadurch weiter gebracht, als bei dem jetzigen pfuscherhaften Unterricht so vieler billigen Lehrer und man gewinnt durch das mäßigste Schülergeld den Urtheil, daß die Leute weiter gebracht werden und daß man die Mittel übrig behält um die talentvolleren Schüler privatim unterrichten zu lassen, ohne daß sie selbst zur Ausbildung ihres Talentes Opfer zu bringen brauchen. Neben dem Pianofortespiele wird der Gesang mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt. So hoffe ich, zu allegemeinen anwendbaren Einrichtungen zu gelangen.
Herr Maier ist jetzt zu seinem Vater in Ansbach gegangen und er wird sich ohne Zweifel an Sie wenden, um ein neues Unterkommen zu finden. Wenn ich ihm dies gleich von ganzem Herzen wünsche und Sie recht sehr darum bitte, für ihn zu wirken, so darf ich doch nicht verschweigen daß er nicht für jede Stellung geeignet ist, wenn er gleich von der Natur so ausgestattet ist, daß er jede ausfüllen könnte. Seine Talente zur Direction haben sich hier sehr bewährt und haben allgemeine Anerkennung gefunden, namentlich wußte er das Orchester zu behandeln und er hat es weiter gebracht. Überhaupt ist er unermüdlich und äußerst brauchbar, sobald es auf Productionen ankömmt, sobald er ein nahes Ziel vor Augen hat und einiger maßen die Mittel es zu erreichen. Ist dies aber nicht, so läßt er alles liegen und wird ganz unzuverlässig, amüsirt sich in schlechter Gesellschaft und thut es auch dort den Meisten zuvor. Es wäre sehr schade, wenn ein solches Talent unterginge, aber er muß in eine Stellung kommen, wo er genau controlirt wird und wo sein Fortkommen ganz von der Art abhängt, wie er sich nimmt, am besten wäre es, ihn irgendwo auch Probe anzunehmen. Die ist mein gewissenhaftes Urtheil über ihn.
Mit großer Freude habe ich gehört, daß Sie einen Ersatz für Ihren früheren Verlust gefunden haben1, so weit ein solcher möglich ist; auch mein Vater läßt Ihnen herzlich Glück wünschen und bittet um die Fortdauer Ihrer Gewogenheit gleich
Ihrem
ganz gehorsamsten Diener
Augustin.
Autor(en): | Augustin, Luther |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Maier, August |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Halberstadt |
Erwähnte Institutionen: | Musikschule <Halberstadt> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1836061747 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Augustin an Spohr, 25.07.1835.
[1] Heirat mit Marianne geb. Pfeiffer nach dem seine erste Frau 1Dorette 834 verstorben war.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.04.2022).