Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr-Correspondenz 2,194
Druck: [Ernst Rychnovsky], Beschreibendes Verzeichnis der Autographen-Sammlung Fritz Donebauer in Prag, 2. Aufl., Prag 1900, S. 262f. (teilweise)

Wien, am 31sten März, 36.

Hochverehrtester Herr Hofkapellmeister!

Ich würde Ihre mir so schätzbare Zuschrift – welche ich jedoch erst am 18ten dieses empfing, unverzüglich beantwortet haben, wenn ich mit dem darin enthaltenen Auftrage früher ins Reine gekommen wäre. Nunmehr aber kann ich Ihnen officiell berichten: Daß die Gesellschaft der Musikfreunde des oesterreichischen Kaiserstaates sich hochgeehrt fühlen wird durch die Widmung eines Ihrer berühmten Oratorien. Sie belieben dennoch nur die Partitur, gedruckt oder in Abschrift, unter die Adresse: „An Se Durchlaucht, Fürsten von Lobkowitz p.p.p. Träger der Gesellschaft der Gesellsch. d. Musikfr. d. oest. Kaiserst. &.&.&. mit einem zweyten Couvert hieher an die Haslinger'sche Hofmusikhandlung zu senden, von wo selbst durch mich alsdenn gehörigen Ortes auf sämtliche Wege eingereicht werden wird. Die möglichst vollkommene Aufführung in nächster Herbst- oder Winter-Saison unterliegt schlechterdings keinem Zweifel1, u. wer am meisten darauf sich freut, daß weiß ich wohl selbst am besten. –
Bey dieser Gelegenheit bin ich auch so frey, gemäß der durch Ihre freundschaftliche Fürsprache erhaltenen, gnädigsten Bewilligung, meinen Hymnus2 zu überschicken, um selben Sr Durchlaucht in meinem Namen ehrfurchtsvoll vorzulegen. –
Obwohl Sie meine letzte Bitte mit Stillschweigen übergingen, so kann ein Versuch doch schlechterdings nicht den Hals kosten; – tentate licet, – u. so erhalten Sie denn auch ein Promemoria an den durchlauchth. Prinzen Wilhelm; vielleicht nimmt er in einer guten Stunde die erbetene Dedication an. Aber, um Himmelswillen! werden Sie nur nicht ungehaltenen ob meiner läßtigen Zudringlichkeit!, – ja, ja! so gehts! der Mensch ist ein wahrer Nimmersatt! Sie gaben mir nachsichtsvoll einen Finger, und gleich darauf hasche ich nach der ganzen Hand. Warum sind Sie auch so ein großer, ein wahrer Künstler! nur bey einem solchen darf man so viel wagen, – nur in diesem wohnt Gefälligkeit, Herzensgüte, reines Wohlwollen, u. echte Humanität, u. eben darauf sündigt nun Ihr, mit wärmster Hochachtung und Liebe

Sie innig verehrender
Seyfried

Autor(en): Seyfried, Ignaz von
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Friedrich Wilhelm Hessen-Kassel, Kurfürst
Erwähnte Kompositionen: Seyfried, Ignaz von : Hymnen
Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Gesellschaft der Musikfreunde <Wien>
Haslinger <Wien>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1836033144

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Seyfried. Der nächste überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Seyfried an Spohr und andere, 11.08.1840.

[1] Es scheinen in Wien zu Spohrs Lebzeiten nur einzelne Chöre aufgeführt worden zu sein (vgl. Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, Wien 1969, S. 308). Zur ersten dieser Aufführung bezeichnet eine Rezension der ersten dieser Aufführung das Erklungene dann auch als „fragmentarische[s] Bruchstück“ („Das dritte und vierte Concert spirituel: am 3. und 10. März“, in: Allgemeiner musikalischer Anzeiger 8 (1836), S. 41ff., hier S. 41).

[2] Vermutlich eine der 1835/36 komponierten Hymnen „Tag der Freude“ XVII 1/1, „Über den Sternen“ XVII 1/6 oder „Coeli enarrant“ XIV/14 (vgl. Bettina von Seyfried, Ignaz Ritter von Seyfried. Thematisch-Bibliographisches Verzeichnis. Aspekte der Biographie und des Werkes, Frankfurt am Main u.a. 1990, ,S. 557, zu den einzelnen Kompositionen auch S. 476 und 507f.).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.01.2017).