Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Hochzuverehrender Herr Kapellmeister
Mein theuerster Lehrer und Meister!
Vor meiner Abreise nach Schweden, die am 21ten April d.J. erfolgen wird, wollte ich mir doch die Erlaubniß nehmen, einige Zeilen an Sie zu schreiben, um Ihnen, Hochverehrtester Herr Kapellmeister noch einmal meine grenzenloseste Dankbarkeit zu versichern, und Ihnen zu sagen, daß diese bis zu meinem Tode gemäß nicht erlöschen wird, und ich leider die Unmöglichkeit einsehe, Ihnen Alles das Gute vergelten zu können was Sie in so reichem Maaße an mir gethan haben, und welches, wie ich denke von Ihrem Segen begleitet, mir noch bis in mein Alter, läßt der liebe Gott mir dieses erleben, auch noch seegensreiche Früchte bringen wird. –
Hiebei wage ich es, eine Bitte an Sie, meinen hochverehrten Lehrer zu thun, deren Gewährung von Ihrer Seite mich außerordentlich glücklich machen würde; ich las nemlich gestern in der eben herausgekommenen Nro 9 der L. allg. mus. Zeitung in einem Artikel aus Cassel, daß Sie, Hr. K.M., jetzt wieder ein neues Concertino für die Violine geschrieben und gespielt haben1; da ich glaube, daß dieses Concertino bis jetzt noch nicht im Stich erschienen ist, und wahrscheinlich zum 21ten April, dem Tage meiner Abreise nach Schweden nicht erscheinen wird, so wollte ich Sie recht herzlich um die außeriordentliche Gefälligkeit bitten, mir dieses Concertino von Ihrem Manuscreipt-Exemplar gegen Erstattung aller Kosten abschreiben2 zu lassen, und mir dieses noch vor meiner Reise nach Schweden hie gefälligst zu senden; ich hätte nicht gewagt, diese vielleicht etwas unbescheidene Bitte an Sie zu thun, wenn ich nicht befürchten müßte, dieses Concertino nach Schweden hin gar nicht zu bekommen, indem der Versand von Musikalien und Büchern dorthin mit sehr vielen Schwierigkeiten und Umständen verknüpft sind, und ich auch gerne diese neue gewiß meisterliche Composition Ihrer glühenden so reichhaltigen Phantasie gerne schon in Copenhagen spielen wollte, wo ich nemlich in den ersten 4 Wochen meiner Abreise von hier schon eintreffen werde, indem ich von Schweden dorthin übersetzen werde, und von Helsingör in Dänemark wieder über nach Schweden, von wo ich meinen Cours weiter nach Gothenburg nehme, und von dort direct auf der Diligence3 nach Stockholm haste, wo ich denke und hoffe, fürs Erste einen bleibenden Wohnsitz zu finden. – Wenn Sie wüßten, hochverehrtester Hr Kapellmeister, wie außerordentlich glücklich Sie mich machen, wenn Sie mir diese Bitte gewähren, so werden Sie sie mir gewiß nicht abschlagen, und ich bitte4 noch einmal darum, das Unbescheidene was in dieser Bitte liegt, ein Tonstück als Manuscript zum Besitzen zu wollen, gütigst zu entschuldigen. –
Ich möchte wohl, Hr K.M., daß Sie mal meine wunderschöne Stradivarius5 spielten und hörten, ich glazube wohl, daß Sie Ihnen gefallen würde, es ist ein Instrument von Antonio Str. im Jahre 1691 A.D. gebaut, ein Hauptvorzug, den Sie vielleicht vor manchen andern guten Geigen hat, ist der6 Ton ist auf allen 4 Saiten durchaus gleichmäßig edel, kräftig und dabei doch etwas ein schmeichelndes, sanftes; daß etwas spitzig schneidende der auf der Hälfte der Quinte liegenden Töne ausgenommen, was aber bei dem Spiele brillanter Concertsachen als Fehler wohl nicht zu rechnen ist; ferner giebt dieses Instrument seinen Ton außerordentlich von sich, so daß diese Geige, wenn ich nur 1 Fenster geöffnet habe, noch draußen auf 200 Schritte zu hören ist, was mir fast unmöglich geschiehen hat, wäre es mir nicht durch glaubhafte Ohrenzeugen bestätigt worden; – Sie können wohl glauben, wie groß meine Freude ist, endlich in dem Besitze eines mich so sehr befriedigenden Instrument zu sein, welches ich nicht anders weggäbe, als wenn ich nicht noch eine bessere bekäme, und ich aber nicht glaube es müßte denn die Ihrige oder die des Conc. Müller in Braunschweig sein, – verzeihen Sie meiner Eitelkeit auf mein Instrument, daß ich es wage, Sie fast in eine Categorie mit Ihrer wohl um doppelte so schönen Geige zu stellen. – Da ich hin reise nach Copenhagen, und in Cassel schon öfter gehört habe, daß Sie dort sehr viele einflußreiche Bekannte haben, dürfte ich ich Sie dann wohl um einen oder ein paar Empfehlungen dorthin bitten? Sie würden mich gewiß aufs Neue hindurch sehr verbinden, und ich glaube, daß diese7 mir von Ihrer Güte mitgegebenen Empfehlungen mehr nutzen würden, und mich sicherer zu dem Zwecke des Concertgebens leiten würden, als wenn ich von andern Leuten die Taschen voll von Briefen hätte, die doch wirklich mitunter nicht viel mehr enthalten als leeres Wortgeklingel, viele Versicherungen der fFreundschaft, und von der Hauptperson, die demüthig vor der Thüre steht, und kaum dem hohen Leser in die Augen zu schauen wagt, kaum mit ein paar Worten im Briefe die Rede8 ist, und nur als unentgeldlicher Postbotenmäßiger Überbringer vorgestellt wird. –
Die Kunstreise nach Schweden wird noch ein anderer junger Tonkünstler, namens Wilhelm v. Luhmann, Clarinettist, mit dem ich durch enge Bande der Freundschaft schon von Jugend auf an verknüpft bin, mit unternehmen, er bläst sein Instrument wirklich ausgezeichnet, ist Schüler von meinem Vater, dem K.M. Tausch in Dessau, und zu seiner vollkommenen Ausbildung ist er bei Seemann in Hannover gewesen, hätten Sie vielleicht die Güte, auch diesen mit ein Paar Worten in Ihrem Briefe zu erwähnen, so würden Sie auch ihn gewiß sehr verbinden. Daß er wirklich schon jetzt ein ausgezeichneter Clarinettist ist, dafür stehe ich, und ich versichere es Ihnen Hochzuverehrender Hr. K. Meister, daß ich Ihre Concerte für Clarinette noch von keinem andern Künstler auf diesem Instrumente habe9 so schön vortragen hören, als wie von diesem v. L. –
Meine Eltern lassen sich Ihnen hochachtungsvoll empfehlen. –
In der Hoffnung, daß Sie mir meine Bitten nicht übel deuten wollen, und Sie mir gefälligst gewähren, verbleit mit tiefster Ehrfurcht und Hochachtung Euer Wohlgeboren über Alles
liebender und treu ergebener
Schüler:
Amadeus Abel
Greifswald den 27ten März.
1836.
NB. Empfehlen Sie mich doch hochachtungsvoll Ihrer Fr. Tochter. Auch bitte ich, Hr. Hauptmann hochachtungsvoll ergebenst von mir zu grüßen. –
Autor(en): | Abel, Amadeus |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Hauptmann, Moritz Luhmann, Wilhelm von |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Göteborg Helsingör Kopenhagen Stockholm |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1836032740 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Abel an Spohr, 28.02.1835.
[1] „Cassel, im Januar“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 38 (1836), Sp. 121-125 und 139ff., hier Sp. 140.
[2] Zwischen „ab“ und „schreiben“ gestrichen: „zu“.
[3] Postkutsche.
[4] „bitte“ über der Zeile eingefügt.
[5] Vgl. Andreas Abel an Spohr, 22.07.1835.
[6] Hier ein Wort gestrichen.
[7] Hier gestrichen: „der“.
[8] „die Rede“ über einem oder zwei gestrichenen Wörtern eingefügt.
[9] „habe“ über der Zeile eingefügt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (25.01.2022).