Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Lübeck, den 22sten Dec.
1835.

Wohlgeborner
Hochzuverehrender H. Kapellmeister!

Wenn ich mir in meinem zuletzt an Sie gerichteten Schreiben ein Versäumniß zu Schulden kommen ließ, so schreiben Sie es allein meiner Unwissenheit zu, denn einige Zeit darauf ersah ich erst, daß Sie sich mit der Tochter des Regierungsraths Pfeiffer verlobt hätten, woran ich den wärmsten Antheil nehme, u. Ihnen zu dieser Verbindung aufs herzlichste Glück wünsche. – Ganz auf Ihre mir so bekannte Güte bauend, wage ich jetzt die Bitte, mir auch Ihre Oper der Berggeist (Partitur und Orchesterstimmen) auf einige Zeit zukommen lassen wollten. Ich beabsichtige die Oper ganz als Concert aufzuführen, u. bin schon tüchtig dabey alles gehörig einzustudiren. Würden Sie mir die große Gefälligkeit erweisen, so läge mir herzlich viel daran, die Oper schon binnen kurzer Zeit hier zu haben, da ich sie spätestens Mitte Jenner aufzuführen gedenke. Es könnte sich aber ereignen, daß jemand der Solosänger in der Zeit zum Singen untauglich würde, oder daß andere Umstände die Aufführung verhinderten; dürfte ich in dem Falle die Stimmen einige Wochen länger behalten? Das Quartett brauchte bloß doppelt zu seyn, u. da es immer sehr schwierig ist, zu solch einem Werke erst einen Text auszuschreiben, so hätten Sie wohl die außerordentlich Güte einen solchen auch mit beyzufügen. Könnten Sie mir diese Wünsche aber nicht erfüllen, so bitte ich Sie inständigst, mir doch wenigstens baldmöglichst Nachricht darüber zu ertheilen.
Als ich das Vergnügen hatte, Sie den letzten Sommer persönlich zu sprechen, gaben Sie mir Hoffnung, daß ich zum nächsten Charfreytag von Ihnen vielleicht auf die Stimmen zu Ihrem neuen Oratorium des Heylands letzte Stunden erhalten könne, weshalb ich jetzt nochmals die Frage wage, ob Sie mir dieses Versprechen wirklich erfüllen können; denn da ich mir so eben die Chorstimmen kommen lasse, u. wenn ich sehe, daß es unsere Kräfte nicht gar zu sehr übersteigt, ebenfalls Willens bin, das Werk zum Charfreytag aufzuführen, so hängt es bloß von Ihrer festen Zusage ab. Im entgegengesetzten Falle müßte ich sonst frühzeitig darauf bedacht seyn etwas Anderes einzustudiren. Auf eine recht baldige Nachricht von Ihnen harrend, u. wegen der vielen Bitten u. Fragen recht sehr um Entschuldigung bittend, verbleibe ich mit der größten Hochachtung

Ew. Wohlgeboren
treu ergebener
Gottf. Herrmann.

NB. Hoffentlich werden Sie den Betrag für die Klavierauszüge richtig erhalten haben.

Autor(en): Herrmann, Gottfried
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Der Berggeist
Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1835122240

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Herrmann an Spohr, 17.11.1835. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Herrmann an Spohr, 04.08.1840.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (30.08.2021).