Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,159
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 147 (teilweise)

Cassel den 27sten Aug.
1835.

Geliebter Freund,

So eben erhalte ich den eingelegten Brief.1 Der Schreiber2 ist mir als ein fleißiger, ordentlicher Mensch aus früheren Zeiten bekannt; aus Kompositionen, die er mir zur Ansicht schickte, kenne ich ihn als einen geschickten Musiker. – Seine jetzige Lage muß verzweiflungsvoll seyn! Da er mir keine Adresse gegeben hat, so bin ich genöthigt mich an Sie mit der Bitte zu wenden, seine Mahnung auf der Polizey zu erfragen und ihm die beyliegenden 5 Rth Cassenanweisung als eine kl. Unterstützung von mir einzuhändigen. – Zugleich würden Sie ihm am besten rathen können, ob er den, in seinem Briefe angedeuteten Versuch, sein Brod in Frankfurt zu finden, machen solle. Ich weiß ihm darin nicht zu rathen; noch weniger kann ich empfehlen, da es mir dort, wie Sie wissen, an aller Bekanntschaft fehlt, ich auch überdieß nicht weiß, ob er zum Gesangunterricht die nöthigen Fähigkeiten besitzt. Sollte er diese haben, so würde ihm Ries vielleicht durch Empfehlung nützlich seyn können. Doch Sie werden, wie schon gesagt, ihm weit besser rathen können und Ihre Menschenliebe wird Sie, auch ohne meine Bitte, dazu antreiben.
Einige Tage nach meiner Rückkehr erhielt ich Besuch von Rochlitz. Er verweilte 6 Tage bey mir und kehrte dann, wie es schien, höchst zufrieden mit seinem hiesigen Aufenthalt nach Leipzig zurück. Ich veranstaltete ihm 2 Quartettparthien und eine Aufführung des Oratoriums am Clavier. Letztere gelang, obgleich ohne Probe, doch sehr gut und machte tiefen Eindruck auf ihn. Auch eine Aufführung der Jessonda hatten wir zufälligerweise während seiner Anwesenheit, die ihm viel Freude gewährte. Er ist ein würdiger alter Mann dem man seine kleinen Eitelkeiten gerne zu gutehält.
Die herzlichsten Grüße an die lieben Ihrigen. Mit wahrer Freundschaft stets ganz

der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Eckhardt, August
Ries, Ferdinand
Rochlitz, Friedrich
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Kassel
Leipzig
Erwähnte Institutionen: Cäcilienverein <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1835082702

https://bit.ly/

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 21.02.1835. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 30.09.1835.

[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[2] Vermutlich der im folgenden Brief Spohrs erwähnte Eckhardt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (07.03.2016).

Cassel, 27. August 1835.

... Einige Tage nach meiner Rückkehr erhielt ich Besuch von Rochlitz. Er verweilte sechs Tage bei mir und kehrte dann, wie es schien, höchst zufrieden mit seinem hiesigen Aufenthalt nach Leipzig zurück. Ich veranstaltete ihm zwei Quartettpartien und eine Aufführung des Oratoriums ,Des Heilands letzte Stunden’, am Klavier. Letztere gelang, obgleich ohne Probe, doch sehr gut und machte tiefen Eindruck auf ihn. Auch eine Aufführung der ,Jessonda’ hatten wir während seiner Anwesenheit, die ihm viel Freude gewährte. Er ist ein würdiger alter Mann dem man seine kleinen Eitelkeiten gerne zugut hält ...