Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Bischoff, G.F.:3
Druck: Felicitas Marwinski, „Musik, das edelste Vergnügen ...“. Vom Collegium musicum zu Kantor Bischoffs Musikfesten. Musikkultur in Frankenhausen am Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts, Weimar 2012, S. 86 (teilweise)

Herrn Hof-Capellmeister Dr. Louis Spohr
Wohlgeboren
zu
Cassel

frei.1


Nach langer Pause, Hochgeehrter Freund, richte ich einige Worte an Sie. Seit dem Halberstädter Musikfest, wo wir uns zuletzt sprachen, hat sich so Manches zugetragen, woran ich nicht weiter erinnern mag2; theilnehmend habe ich es mitgefühlt! Bei dem Magdeburger Musikfeste 1834 bin ich nicht gewesen. Der Oberbürgermeister Franke hatte mich zwar dazu eingeladen, allein auf der Reise dahin wurde ich 2 Stationen von hier mit der Schnellpost umgeworfen, so daß ich ¼ Jahr bettlägrig und an Krücken zubringen mußte. Noch leidet meine Brust an den Folgen dieses Un- oder vielmehr Postfalls. Zu dem diesjährigen Elbfest in dessen reisete ich auf Veranlassung unsers Freundes Augustin (jetzt Oberland. Ger. Rath) in Halberstadt als bloßer Gast u Zuhörer. Von auswärtigen Zuhörern war dieses Fest gar nicht zahlreich besucht; da aber der Herzog das Risiko deckte, so konnten die Unternehmer getrost schalten u walten. Schneider hatte einiges Unglück wegen Ausbleiben der Harfenistin aus Leipzig, einer Sängerin und Mantius aus Berlin, doch war das Oratorium „Absalom“ so tüchtig vorbereitet u von dem Gesangverein einstudirt, daß die Ausführung ganz vorzüglich gelang. Unsere Favoritin (wenn ich mich so ausdrücken darf) Johanna Schmidt, jetzt in Halle, sang sicher brav, trotz der Grippe, mit welcher sie in Dessau ankam.3
Wo künftiges Jahr das Elb-Musikfest seyn wird, ist, trotz der gehabten Mühe Augustins, welcher die Seele dran ist, noch nicht bestimmt. Mir schien es, als wenn Schneider diese Bestimmung zu verhindern sorgte. Naue und Gattin war auch da und erklärte, daß er nächstens d. J. noch4 in Halle wieder ein Fest veranstalten wolle, wozu er Schneider einladete um sein neuestes Orat. „Absalon“ dort aufzuführen; Spontini würde die Jahreszeiten d 1sten Tag dirigiren und d 3 u 4ten Tag – so lange sollte das Fest dauern – andere seiner großen Oper-Spektakel-Stücke. Daß Schneider zugesagt, wundert mich, ich glaube aber – mein ich aus den Reden Schneiders u das gegenwärtige Oberbürgermeisters Mellin aus Halle5 vernommen, daß aus der ganzen Sache nichts wird; denn Naue hat in Halle alles Zutrauen verloren.6
Sollte nicht einmal in Cassel so ein Fest im großen Styl zu veranstalten seyn? –
Regierungs Rath Türpen aus Erfurt war auch in Dessau und wir haben recht viel von Ihnen gesprochen; gedacht auch des 1sten Festes in Frankenhausen vor 25 Jahren u feierte die silberne Hochzeit.
Wegen Ihrem Auftrage, die Subscription zu dem Orat. „des Heilands letzte Stunden“ beantwortend7 habe ich – wie Sie ohne Versicherung nehmen werden – mir alle mögliche Mühe gegeben, habe aber nur außer einem für8 mich noch 2, also im Ganzen 3 Ex. zu bestellen. Das Subscript. Circular habe ich9 aufs Land geschickt, doch dasselbe nicht mit der so eben eingetroffnen Absage Antwort zurück erhalten. Ich bin sehr begierig auf dieses Werk.
Nun, Verehrter Meister u Freund, entschuldigen Sie die Flüchtigkeit dieser Zeilen und nehmen Sie mit den freundlichsten Grüßen die Versicherung geneigtest an, daß ich stets seyn u bleiben werde

Ihr
Verehrer
G.F. Bischoff

Hildesheim d 16 Juli 1835.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohrs Subskriptionsaufruf für den Klavierauszug seines Oratoriums Des Heilands letzte Stunden, dessen an Bischoffs gerichtetes Exemplar derzeit verschollen ist. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Bischoff an Spohr, 24.11.1833.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „HILDESHEIM / 17 JUL“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags der Stempel „18 JU[LI] 1835“.

[2] Der Tod von Spohrs erster Frau Dorette am 20.11.1834.

[3] Vgl. „Achtes Elb-Musikfest zu Dessau den 11ten, 12ten und 13ten Juni“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 37 (1835), Sp. 410-415, zu Mantius und Schmidt v.a. Sp. 411.

[4] „d. J. noch“ über der Zeile eingefügt.

[5] „aus Halle“ über der Zeile eingefügt.

[6] Zum Musikfest in Halle vgl. „Halle“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 37 (1835), Sp. 751.

[7] „beantwortet“ über der Zeile eingefügt.

[8] „einem für“ über der Zeile eingefügt.

[9] Hier gestrichen: „eben(???)“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.04.2022).