Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
 

Geehrter Herr Kapellmeister!

Schont lange habe ich den Wunsch gehägt mich nach Ihr Wohlseyn Zu Erkundigen, doch dürfte ich nach dem vorgefallne1 in Cassel es nicht wagen mich an Sie Zu wenden, weil ich Ihre gesinnung gegen mich nicht könnte, obschon2 Sie über Zeigt seyn müssen dass es mich damals Sehr schmertzte Sie verlassen zu müssen, ich hoffe (wen Sie mir wirklich böse wahren) dass eine Zeit raum von 8 Jahren hin länglich seyn wird ein Zu sehen dass es damals meine lage heischte so zu handlen3, und schmeichle mir daher das dieser brief bei Ihnen eine gute aufnahme finden wird, Zeit4 3 bis 4 Jahren bin ich in frankreich. und hier am grosen Theater angestellt, obschont man mir verschiedene male die Stellte als Erster Clarinetist in Lyon und Bordeau angebohten hatt, so habe ich doch vorgezogen hier Zu bleiben, weil wan5 wirklich hier die gute musik lieb, und mitt vergenügen bemerkt habe das Marseille nach paris der Einzige ort in frankreich ist wo man die musik von Behthoven Executird und im ganzen die Deütsche musik gernne hört, im Theater wird Robert Marguerite von anjou selbe der freischütz der gott weis es von Castel-Blaze auf eine schändliche art verhunzt worden ist, seher gerne gehört. Kurtz wir besitzen hier manche tüchtige liebhaber und da wir so nahe bey Itallien sind so ist wirklich Zu Erstaunen dass der hang für gute Instrumentirung und ueber haup Deutsche musik vorherschent ist; dieses alles habe ich Ihren geehrter Herr Capellmeister im voraus sagen müssen um sie folgendes mittzutheilen, da ich in Holland und frankreich tüchtig die Composition studird habe so habe ich es da hin gebracht mir einiges für mein Instrument zu schreiben und ziemlich den reinen Satz verstehe da ich mir schmeicheln kan hier einige einflus zu haben, so habe ich den idee bekommen eine Deutsche oper zu uebersetzen doch da zu gehörte mir ein tüchtiger Man an meiner Seite dem ich dan Entlich gefunden habe, derselben ist ein wahrer verehrer der Deütschen musik, und forderte also nicht dass man die musik den tex wegen aufopferd kurtz wier haben diese schwere aufgabe gelüklich gelöst, und Ihr herrliches werk Faust übersetzt6, da ich mir schmeicheln darf als ausübender Künstler bey Ihnen in einiger achtung zu sthen7, so bitte ich es nicht als unbescheiden von mir aufzunehemen, wen ich Ihnen sage dass ich glaube wirklich reusird8 zu haben9, in Ihre ganze oper ist nicht eine Note verändert, und alles den Karakter der musik angemessen da wir sie aus der partitur auszug von pixis übersetz habe so währe meine bitte mir gefälligst so bald wie möglich zu schreiben. wan ich die partition von Ihnen haben Kan, und mir gefälligst den preis dafür mitt zu theilen, nach emphang Ihres briefes werde ich nicht Ermanglen Ihnen eine anweiseung auf herr Fuld Banquier in frankfurt am main in voraus zu überschikken: da die dierection genigt ist diese oper bald einzustudieren, so wird mir es lieb seyn so bald wie möglich die partition zu haben, da ich vor begierde brenne. Ihre nahme in frankreich so berühmt zu machen wie sie es in Deutschland ist, in der Hoffnung ein baldige antwort bin ich mit der grösten Hochachtung

Ihr gans Ergebenster
de Groot
Clarinette solo
Du grand Theatre
Rue d’albertas
No. 2
a Marseille

p.s: bitte Ihre währte familie mein Emphelung zu machen auch die familie Malsburg Ihr10 profesor Bauer, hauptmann: viele Hasseman pp bitte höfflich von mir zu grusen

N.B. mit freude habe ich in eine französische Zeitung gesehen dass Ihre letzte Synfonie die Weihe der Töne in paris sehr geffallen hatt.11



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist de Groot an Spohr, 12.12.1825. Spohrs Antwortbrief ist derzeit nur als kurzer autografer Entwurf auf dem Autograf dieses Briefs überliefert.

[1] Sic!

[2] Sic!

[3] De Groot erhielt 1826 einen Ruf als Professor an das Konservatorium und als erster Klarinettist in die Hofkapelle in Den Haag. Als ihm das Kassler Hoftheater die Aufhebung seines Vertrags verweigerte, reiste er trotzdem ab (vgl. „Widerlegung“, in: Allgemeiner musikalischer Anzeiger 1 (1826), S. 112).

[4] Sic!

[5] Sic!

[6] Vgl. „Notizen“, in: Allgemeiner musikalischer Anzeiger 9 (1837), S. 71.

[7] Sic!

[8] „reüssirt, geglückt, wohlgelungen“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörtebuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S 409).

[9] Zum Konzert in Marseille am 10.03.1837 vgl. „Nouvelles“, in: Revue et gazette musicale 4 (1837), S. 104; „Mosaik”, in: Bohemia 10 (1837), 31.03.1837, nicht paginiert.

[10] „Ihr“ über die Zeile eingefügt.

[11] „Dernières séances du Conservatoire. Gynmase musical“, in: Journal des débats 23.06.1835, nicht pagniert.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Friederike Wagner (29.09.2022).