Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Wohlgeborner Herr,
Hochverehrter Herr Kapellmeister!
Euer Wohlgebohren freundliche Zuschrift an den Herrn Regierungsrath Türpen ist von diesem an mich, als zeitigen Vorstand des Erfurter Musik-Vereins, zur Einleitung der Subscription auf das neue Oratorium „des Heilands lezte Stunden“ abgegeben worden und ich habe mich diesem Geschäft um so lieber unterzogen, als ich mir von der Darstellung dieses neuen Werrks denselben hohen Genuß verspreche, der mir bei fünfmaliger öffentlicher Aufführung der „lezten Dinge“ zu Theil geworden ist, und als mir dadurch Gelegenheit geboten wurde, mit Euer Wohlgebohren persönlich in Schriftwechsel zu treten und Ihnen die lang gehegte Verehrung in Worten darzulegen.
Meiner an die Musikfreunde Erfurts gerichteten Einladung ist indeß, wie die beiligende Subscriptionsliste1 zeigt, kein besonderer Erfolg zu Theil geworden, da diejenigen, welche die Mittel besitzen, ihr Herz dem heiligen und religiösen verschließen und schon genug thun glauben, wenn sie einer unter tausendfachen Mühen zu Stande gebrachten Darstellung beiwohnen. Eigentlich wahre Erwärmung für Musik ist, einige Familien abgerechnet, hier wenig zu finden; zwei an sich gute Militair Musikchöre, die an öffentlichen Orten französische Opern und Straussche Tanzmusik vortragen, ziehen das Pubikum zu einer Frivolität und Petulanz2 herab, daß es sich zu dem Ernsten und Erhabenen nicht wieder aufschwingen mag. Desto weihelicher möchte das Streben der Musik Vereine hervortreten, durch Aufführung heiliger Musik gleichsam als Komthur dem Wüstling Don Juan in das Gewisen3 zu reden, und ich bitte daher auch im Namen des Erfurter Musik Vereins um gefällige Mittheilung einer Abschrift in Partitur gegen dankbare Erstattung der Kopialien.
Der Beifall, welcher der „Weihe der Töne“ in unserem Vereine zu Theil geworden, war in der That begeistert zu nennen. Acht bis Neun Proben hatten die Darstellung der Sinfonie aber auch zu einer Rundung und einer Uebereinstimmung gebacht, daß man sich mit Ruhe und Freude dem Fluß der herrlichen Musik überlassen durfte. Sie mußte nach 4 Wochen schon wiederholt werden und wird, da sie nicht auf der Oberfläche sich bewegt, sondern intenvis groß ist, ein Liebling des Publikums bleiben. Mag Ihnen mein verehrter Herr Kapellmeister! noch lange Inspiration und Muße bleiben, um mehrere herrliche Werke dieser Art an das Licht zu fördern.
Mit Gefühlen der Verehrung und Hochachtung verharre ist stets
Euer Wohlgebohren
ganz ergebenster Dr
Daniel
Ober Regierungs Rath.
Erfurt 8 Jul. 1835.
Autor(en): | Daniel, Johann Christoph |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Bucholz, Fr. C. Hauser, J. B. Kluge, Georg Heinrich Ternhardt(?), von Türpen, C. |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden Spohr, Louis : Die Weihe der Töne |
Erwähnte Orte: | Erfurt |
Erwähnte Institutionen: | Erfurter Musikverein <Erfurt> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1835070847 |
Dieser Brief ist die Antwort auf den an C. Türpen gerichteten und in diesem Exemplar derzeit verschollenen Subskriptionsaufruf für den Klavierauszug zu Spohrs Oratorium Des Heilands letzte Stunden. Spohrs Antwortbrief vom 15.09.1835 ist derzeit ebenfalls verschollen.
[1] „Subscriptionsliste
Namen der geehrten Subscribenten Anzahl der Exemplare
Daniel, Ober Regierungs Rath 1 Exemplar.
v. Terhardt(???) Regier. [???] 1 Expl.
Türpen Regierungsrath 1 Expl.
Hauser Professor 1 "
Kluge. Organist. 1 "
Bucholz Apotheker 1 desgl.
der Erfurter Musik Verein 2 desgl.“
[2] „Petulanz, die Leichtfertigkeit, Ausgelassenheit, der Muthwille“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörtebuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 347).
[3] Sic!
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.12.2022).