Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr-Correspondenz 2,159
Druck 1: Des Heilands letzte Stunden. Oratorium von L. Spohr, gedichtet von Friedrich Rochlitz. Briefe von Mendelssohn, Rochlitz und Spohr, hrsg. v. H[ans] M[ichael] Schletterer, Zürich 1885 [Separatdruck aus der Schweizerischen Musikzeitung (1885)], S. 39f. [Permalink] [Direkt zum Digitalisat]
Druck 2: Ernst Rychnovsky, „Ludwig Spohr und Friedrich Rochlitz. Ihre Beziehungen nach ungedruckten Briefen”, in: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft 5 (1903/04), S. 253-313, hier S. 290f.
Beleg 1: Autographen-Sammlung enthaltend Musiker-Briefe und Musik-Manuskripte aus dem Nachlasse des berühmten Komponisten Louis Spohr (1784-1859) nebst Beiträgen aller Art (Fürsten, Staatsmänner, Dichter, Gelehrte, Künstler, etc.) aus dem Besitz eines bekannten Berliner Sammlers. Versteigerung zu Berlin Montag, den 15. und Dienstag, den 16. Oktober 1894 (= Katalog Liepmannssohn), Berlin 1894, S. 63
Beleg 2: Sammlung Fritz Donebauer, Prag. Briefe, Musik-Manuscripte, Portraits zur Geschichte der Musik und des Theaters. Versteigerung vom 6. bis 8. April 1908 (= Katalog Stargardt), Berlin 1908, S. 97
Beleg 3: Autographen, Manuskripte, Partituren, Bücher (= Katalog Boerner 16), Leipzig 1910, S. 70
Beleg 4: Georg Kinsky, Versteigerung von Musiker-Autographen aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln im Geschäftslokal der Firma Karl Ernst Henrici. Montag, den 6 und Dienstag, den 7. Dezember, Bd. 1, Berlin 1926, S. 100

Leipzig, d. 29sten Jan. 1835.
 
Geehrter Herr und Freund!
 
Sie verlangen eine freundliche Antwort; und wahrlich, ich gebe Ihnen die freundlichste, die ich geben kann und darf. Ich gebe sie gern, sehr gern; ich gebe sie von Herzen. Ich sehe ja, es ist Ihnen um unser Vorhaben eben so ernstlich zu thun, als mir selbst!
Aber Sie sehen dies blos als Musiker an: als tüchtiger, erfahrner Musiker; was ich gewiß zu achten weiß, u. dem ich mich bei jedem anderen Gegenstande des Gedichts gern fügen würde: aber hier darf ich nicht. Hier ist es Gewissenssache. Ich habe ja auch in Allem, was ich vorher an Mendelssohn, (Sie kennen dies nun,) hernach Ihnen geschrieben habe, nicht blos, ja nicht zunächst als dieser: ich habe als religiöser Mann, als christlich-religiöser Mann gechrieben. Bei solchen ganz verschiedenen Ausgangspunkten, sehe ich wohl, können wir Beyde in Allem, was sich hieraus ergiebt, nie einig werden. Ich habe ihn meinem letzten Briefe mich so deutlich gemacht, als mir nur irgend möglich: Ihr jetzt mir gesandter Brief giebt vollkommenen Beweis, Sie haben in den eigentlichen Sinn, auch nur denkend, nicht einzugehen vermocht. Verstehen Sie mich nicht falsch: Was Sie jetzt geschrieben, ist recht, wahr und gut, aber allein von Ihrem Standpunkt aus, und sonach dem meinen durchgängig zuwider. Darum versuche ich auch kein Wort der Widerlegung. Aber eben darum muß es auch schlechterdings bey Allem bleiben, was ich neulich geschrieben habe; bey Allem – bis auf eine einzige, von Ihnen angeführte Stelle, die, wenn sie nach Ihrem Wunsche wegbleibt, auf meine Ansicht des Ganzen nicht einwirkt. Ich meyne die Solo-Stelle in dem größten Chor des Volkes. Diese kann ich aufgeben, und so will ichs auch. – Das Schwierige und Bedenkliche einer zweyten Composition einzelner Stücke, oder doch ihrer Abänderung, erkenne ich gar wohl: aber was treibt denn zu einer baldigen Bekanntmachung? Ich könnte treiben, weil ich höchstwahrscheinlich nicht mehr lange zu leben habe: aber ich thue es nicht. Und – lieber Freund – eben dies Werk ist für Sie, wie für mich, das wichtigste, und gelingt es, das dauerndste, vielleicht auch – wie seit so langer Zeit der Tod Jesu von Ramler und Graun – bey der ganzen Nation eingreifend; und so wirklich das wichtigste, was Sie jemals liefern können! Verdiente es da nicht – Geduld, Abwarten der rechten Stunde zum Ändern, und selbst (was dann aber nicht einmal nöthig würde) manches kleine Opfer des Musikers, als eines solchen?
Ich bitte nochmals, was heute und was neulich von mir geschrieben worden, ganz genau, als nicht weiter abänderlich, zu nehmen und mir nur mit wenigen Zeilen, ohne besondere Angabe der Beweggründe, Ihre Entscheidung für oder wider, sobald Sie sie gefaßt haben, zu melden. Alles weitere Erklären über diese Angelegenheit, von welcher ich so schöne Freude mir versprochen habe – alles weitere Erklären, sag’ ich, wenn es nicht zusagend ist, muß mich betrüben: und ich bin ohnehin betrübt genug!
 
Hochachtungsvoll
Sie
begrüßend
Rochlitz.
 
Noch eine Zeile über das, was Sie von einer Dedication äußern! Herzlich dankbar erkenne ich Ihre Zuneigung: aber sollte Ihnen Hr. Mendelssohn – wie Anderes, was ich früher ihm geschrieben, nicht auch die Stelle copiert haben, worin ich ihm meine wohlüberdachte, für die Sache selbst, wenn auch nicht für die Person, wichtige Absicht mitgetheilt habe? Ist es nicht geschehen, so belieben Sie es in meinem Namen von ihm zu verlangen. Er wird sich keinen Augenblick weigern.

Autor(en): Rochlitz, Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Mendelssohn Bartholdy, Felix
Erwähnte Kompositionen: Graun, Carl Heinrich : Der Tod Jesu
Spohr, Louis : Des Heilands letzte Stunden
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1835012936

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Rochlitz, 24.01.1835. Der nächste überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Rochlitz an Spohr, 06.02.1835.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.09.2016).