Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Catlenburg, am 10ten Jan. 1835.

Mein höchst und innigst verehrter Freund und Gönner!

Daß Sie ereilt habende Geschick1, hat uns um so tiefer erschüttert und mit der wehmüthigsten Theilnahme erfüllt, als auch wir selbst wieder einen sehr harten Verlust in unserer nächsten Verwandschaft kurz zuvor zu verschmerzen hatten.
Großen Trost finden wir in Ihrer Seele in dem Gedanken, daß Ihre so liebenswürdigen beyden älteren Töchter2 ebenfalls in Cassel selbst etablirt sind, und auch die Erziehung ihrer jüngsten lieben Tochter3 von der edlen Verklärten Selbst bereits so weit vollendet werden konnte, daß Sie die weitere Entwicklung ihres Ebenbildes auch in dieser Tochter zu hoffen berechtigt sind.
Die Größe Ihres Geistes und die Tiefe Ihres Gemüthes sind uns Bürgen, daß Sie des herbsten Schmerzes Meister bleiben werden!
Auch meine Frau, die sich Ihnen mit einem wehmüthigen Händedrucke herzlichst empfiehlt, war in der letzten Hälfte des Septembers schwer krank an einer Cholerine4, ist aber jetzt wieder wohl und erholt.
Auch ich selbst habe bereits seit Ende October in Folge einer Blatter-Rose von rechter Größe mit hinzutretenden Flechten-Complicationen unendlich viele Schmerzen abzuhalten gehabt; und nachdem diees Uebel leider einen chronischen Character angebommen hat, bin ich seit dem 4ten d.M. durch einen üblen Rückfall in einer langsamen Herstellung leider von Neuem an’s Bett gefesselt; indem abermals eine acute Blatter-Rose mir sehr heftigen Schmerzen nunmehr den linken Unter-Schenkel ergriffen hat. Auch im günstigsten Falle werde ich nur eine sehr langsame Besorgung von meinen vielen Schmerzen erhoffen dürfen; welche ich von Anfang an in der homöopathischen Heil-Methode gesucht habe. Es scheint diese aber für meinen sehr reizbaren Körper nicht ganz zu passen; indem die Erst-Wirkungen dieser vermeinlichen Arzney-Nullitäten von 1 und 2 Streukügelchen der 30ten Verdünnung auch der unschuldigsten Mittel, doch stets so heftig sind, daß ich durch jede deren Erneuerung während den ersten 8 Tage in meinem Uebel weiter zurückgeworfen bin, als die nachfolgende heilsame Wirkung der Mittel denn ganz wieder auszugleichen vermag; so daß mein gegenwärtiger Zustand um ein 500 Procent übler ist, als er vor 10 Wochen beym Anfange der Cur war.
Meine Frau erlaubt sich, Ihnen beygehend eine frische Wurst zu präsentiren, wofür wir den besten Appetit wünschen.
Unsere Gedanken wie unsere innigst theilnehmenden besten Wünsche sind Ihnen und den theuren Ihrigen Allen mit wehmüghiger Herzlichkeit zugewandt!
So innig als unwandelbar

Ihr
wärmster Verehrer.
CFLueder

Autor(en): Lueder, Christian Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Lueder, Wilhelmine Henriette Caroline
Spohr, Dorette
Spohr, Therese
Wolff, Ida
Zahn, Emilie
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1835011035

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 16.03.1834. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Lueder an Spohr, 01.10.1836.

[1] Spohrs erste Ehefrau Dorette verstarb am 20.11.1834.

[2] Emilie Zahn und Ida Wolff.

[3] Therese Spohr.

[4] „Nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung für leichten bzw. atypischen Verlauf der Cholera“ („Cholerine“, in: Pschyrembel Online).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.11.2020).