Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.1 <18341002>
Beleg: Autographen. Historische Autographen, literarische Autographen, Musiker, Schauspieler und bildende Künstler, Stammbücher. Versteigerung am 20., 21. und 22. Oktober 1926 (= Katalog Liepmannssohn 48), Berlin 1926, S. 174f.

Sr. Wohlgeb.
Herrn Adolph Hesse
Oberorganist an der Elisa-
bether Kirche zu
Breslau.

franco.0
 
 
Cassel den 2ten
October 1834
 
Lieber Herr Hesse,
 
Die hiesigen Musikfreunde, vor allem meine Familie und ich, freuen uns sehr, daß Sie zu uns kommen und 2 Ihrer neuen Kompositionen zu Gehör bringen wollen. Gern mögte ich Sie nun einladen, ein eigenes Concert zu geben, allein die Concerte werden hier von Jahr zu Jahr weniger besucht und bringen nicht einmal mehr die Abendkosten ein. So hatten wir bereits ein’s eines Schwedischen Harfenvirtuosen1, der ausgezeichnet spielte, vom Kurprinz das Theater erhielt, demohngeachtet so schlechte Geschäfte machte, daß wir ihm das Honorar für’s Orchester, welches in unsere Witwenkasse gezahlt wird, erlassen mußten, damit er nur die andern Kosten von den Einnahmen bezahlen konnte. In 8 Tagen wird das Concert der Mad. Paravicini, Virtuosin auf der Violin seyn und sicher nicht besser ausfallen. Für Ende des Monaths hat sich Mollique aus Stuttgart angekündigt1b, der vor 5-6 Jahren schon einmal hier ein Concert gegeben hat, wo kaum die Kosten eingenommen wurden, obgleich er zu den besten, jetzt lebenden Violinspielern gehört.2 – Bey solchen Aussichten rathe ich einem jeden ab, hier Concert zu geben; er hat nur viel Mühe und gar keinen Gewinn, wenn’s glücklich geht.
Wollen Sie uns aber durch Ihre Productionen in einem unserer Abonnementsconcerte erfreuen, so werden wir das mit dem besten Dank annehmen. Leider sind diese auch nicht viel besser besucht wie die Extraconcerte; Sie finden aber doch das Wenige, was es hier an Musikfreunden und Kennern giebt, versammelt.
Da Sie Donnerstag den 6ten November in Leipzig spielen, so würde es hier 8 Tage später, Donnerstag den 13ten am passendsten seyn. Ist Ihnen dies genehm, [wer]de [ic]h die Concerte so beginnen lasse[n, daß] auf den 13ten Nov: eines fällt und [Ihnen] dies für Ihre Sachen frei halten. Da wir jezt, nach dem Saalbau, ein Zimmer in umserm Hause unbesezt haben3, so bitten wir Sie, bey uns zu wohnen und mit unserer Bewirthung vorlieb zu nehmen.
Die Dichtung des Herrn Pulvermacher habe ich mit Interesse gelesen.4 Ich werde Ihnen das Manuscript mit zurück geben und dann, nach nochmaligem Durchlesen, mein Urtheil in einem Briefe an Herrn P. niederschreiben. - Leben Sie wohl! Freundliche Grüße von den Meinigen.
Freundschaftlichst ganz der Ihrige L. Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Hesse, Adolph
Erwähnte Personen: Fatscheck, Bernhard
Friedrich Wilhelm Hessen-Kassel, Kurfürst
Molique, Bernhard
Paravicini, Giulia
Pulvermacher, Christian Leopold Julius
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kassel
Leipzig
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1834100201

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Hesse an Spohr. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hesse an Spohr, 21.12.1834.
  
[0] [Ergänzung 15.09.2021:] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „CASSEL / 2 OCTO 1834“.

[1] Bernhard Fattschek

[1b] [Ergänzung 24.02.2021:] Bernhard Molique an Spohr, 21.09.1834.
 
[2] „Der Stockholmer Kammermusikus Fatschek, ein rühmlich bekannter Harfenspieler, brachte in seinem Concerte die Kosten nicht heraus; und der berühmte Geigenspieler, Musikdirektor Mollique aus Stuttgart, welcher sich einige Tage bey uns aufhielt, machte nicht einmal den Versuch, ein Concert zu arrangiren, und nur in Privatzirkeln soll er in einigen Quartetten spielend einen außerordentlichen Enthusiasmus erregt haben. Madame Paravacini gab letzthin ein Violinconcert, die Kritik muß freilich darüber schweigen, und theilte das gleiche Schicksal mit Fatschek [...] („Cassel, im October 1834”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 36 (1834), Sp. 764-767, hier Sp. 764f.).
 
[3] Spohr ließ sich im Sommer 1830/31 einen Musiksaal als Anbau an sein Wohnhaus errichten (vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 151, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 184f.).
 
[4] Vermutlich eins der vielen Libretti, die Spohr zur Ansicht geschickt wurden. Bezieht sich vielleicht auf das Libretto Die Contrebande, das 1841 in einer Vertonung durch Ernst Richter in Breslau auf die Bühne kam (vgl. August Kahlert, „Aus Breslau. Musikbericht über den Winter 1840/41“, in: Neue Zeitschrift für Musik 14 (1841), S. 128f., hier S. 129).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (29.12.2014).