Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Wessel:02

Herrn L. Spohr
Kapellmeister
Cassel


London 26 July 1834

Herrn L. Spohr. Cassel

Es wird Ihnen durch den jungen Herrn Blagrove gewiß nicht unbekannt geblieben sein, daß ich Ihre große Violin Schule ins Englische übersetzt, publicirt hatte.
Mit dieser guten Gelegenheit des Herrn Eliason kann ich mir doch nicht das Vergnügen versagen, Ihnen ein Exemplar zu üebrsenden, mit der Bitte es einen Platz in Ihrer Librairie einzuräumen. Hoffend daß die Ausstattung dieses Werkes Ihren Beyfall erhalten wird und es Ihnen überhaupt nicht unangenehm ist, Ihre Produktion in einer fremden Sprache übersetzt zu sehen. -
Von der Musik hatte ich es mir zur Pflicht gemacht, keine Note auszulassen, - daswenige im Texte, ist nur dem Geschmack unseres Publicums angemessen. Was Ihnen am meisten auffallen wird, ist,1 die Aenderung Ihrer Bogeneintheilung, welches ich durch Figuren angedeutet, eine Manier die auch hoffentlich Ihren Beyfall erhalten wird. Da sie auch im Original nicht immer2 mit Gewißheit anzeigen ob eine gewiße parti(???) poussé oder tiré sein soll, so wollte ich auch den Risico nicht übernehmen es anzudeuten & wenn den Plan noch zu verbeßern3, so wäre es folgender: anstatt daß in einem Buche nur eine Art Figuren von 1- an bemerkt stehen4, z.B. 1-6 9-12 für beide Stricharten poussé tiré – so könnte es beßer mit 12-9 6-1 und so weiter geschehen, wodurch aller Zweifel überhoben wird. Seitdem ich die Zeichnung des Bogens Platte V. erfand5, fiel es mir ein diese noch viel mehr zu simplificiren, nemlich:
Länge des Bogens
[Zeichnung]
zwischen diesen Figuren, finden sich natürlich alle Bogenstriche. Wenn Sie dennoch in Ihrer Methode sagen K.B.S. (kurze Bogenstriche,) so dürfen Sies nach diesem Plan blos sagen 1-3 oder 3-5 oder 5-7
Sie wollen es nicht für ungut aufnehmen daß ein Nichteingeweihter, – denn ich bin nur Amateur – sich unterstanden hat, diese Aenderungen ohne Ihre Genehmigung einzuführen. Vielleicht aber daß es zu neuen Ideen Ihnen Veranlaßung giebt so Ihre 2te Auflage danach einrichten können.
Mein Freund H Eliason kommt in einigen Wochen zurück6 bey welcher Gelegenheit es mir große Freude machen würde von Ihnen einige Zeilen zu empfangen.
Ich thue mein Möglichstes, als Verleger, Ihren Nahmen und Werke zu poussiren7, dies bin ich Ihrem Talente & meinem Landsmanne schuldig.
Ich bin im Begriff eine uniforme Edition Ihrer 11 Duetten herauszugeben: leider sind sie zu schwer für das allgemeine Engl. Publicum. Es sollte mich freuen wenn wir auch ein neues Geschäft mit neuen Duetten für 2 Violin machen konnten. Haben Sie deren vorräthig?
Unser unbedeutender Absatz erlaubt leider nicht als blos moderate Anerbietungen zu machen: in Deutschland hat man das Feld für Denmark, Schweden o Rußland offen, aber uns(???), nur einen geringen Wirkungskreis.
Kann ich Ihnen in London Dienste leisten so finden sie in mich einen dienstwiligen Freund.
H Simrock, Peters, Breitkopff, Schott &c &c sind meine alten Correspondenten.
2 meiner Brüder halten das Brittische Hotel in Hanover.8
Gelegentlich Ihre gütigen Zuschrift entgegensehend verbleibe

Ergebenst
C.R. Wessel
Foreign Music Publisher
6 Frith Street
Soho Square.



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Wessel an Spohr, 04.11.1842.

[1] Hier drei Buchstaben gestrichen.

[2] „immer“ über der Zeile eingefügt.

[3] Hier ein Wort gestrichen.

[4] Hier ein Wort gestrichen.

[5] Vgl. Louis Spohr’s Grand Violin School, London 1833, Platte C Fig. V.

[6] Hier gestrichen: „oder nich“(???).

[7] „poussieren, fr. stoßen, treiben; forthelfen, befördern, förderlich seyn“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter, entstellenden fremden Ausdrücke zu deren Verstehen und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 363).

[8] Vgl. John und Wilhelm Wessel, „Bekanntmachung“, in: Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten 04.11.1828, nicht paginiert.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.06.2020).