Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: „Briefe von Friedrich Kühmstedt“, in: Urania 51 (1894), S. 5f., 22, 30f., 38f., 45f., 61f. und 86f., hier S. 5f.

Hochwohlgeborner
Hochzuverehrender Herr Kapellmeister!

Der Menschenliebe Ew. Wohlgeboren vertrauend, wage ich es eine Bitte an dieselbe zu thun, von deren Gewährung jetzt mein Unterhalt und zum Theil mein Lebensglück abhängt, indem ich weiß, daß in der Sache, wofür ich die Güte Ew. Hochwohlgeboren in Anspruch zu nehmen mich unterstehe, die Stimme Ew. Hochwohlgeboren die gewichtigste von allen ist.
Ich Unterzeichneter habe bis in mein 18tes Jahr das Gymnasium in Weimar frequentirt; von der Zeit an aber mich ausschließlich der höhern Musik gewidmet. Unter der Hand des wackern Rinck in Darmstadt habe ich den Contrapunct studirt und nach diesem bis in mein 25tes Jahr an 30 Werke componirt, worunter die größern: 1 Oper, die Schlangenkönigin, 1 Missa solemnis, 3 Ouverturen, 1 Symphonie (noch unvollendet), ein charakteristisches Tongemälde in Form eines Rondo mit einer Fuge für Pianoforte, sind. Außer diesen habe ich noch viele kleinere Sachen aus allen Fächern der Musik gearbeitet. Von allen diesen hab' ich aber noch nichts an das Licht treten lassen, theils aus Besorgniß der Welt etwas Unvollkommenes zu übergeben, theils verhinderten mich die unendlichen Schwierigkeiten, die mir von Seiten der Musikverleger entgegengestellt wurden, daran. Meine Umstände verlangen es aber jetzt meine Existenz zu begründen und in dieser Absicht meldete ich mich zu der vor einiger Zeit an dem Seminarium zu Eisenach erledigten Musikdirektorstelle und schickte beiliegende Compositionen ein, um daraus ersehen zu können ob ich dazu tüchtig sei. Da aber noch über meine Compositionen noch das Urtheil eines Meisters verlangt wurde, so wage ich es, durch den Herrn Inspektor Schröter ermuthigt, meine Arbeiten Ew. Hochwohlgeboren vorzulegen mit der ergebensten Bitte, bei Beurtheilung derselben nicht einen zu hohen Maßstab anzulegen, indem ich mich unwürdig fühle vor Ew. Hochwohlgeboren als Künstler zu treten. Schließlich bitte ich Hochdieselben noch meine Arbeiten nach deren gütigen Beurtheilung an H. Inspektor Schröter in Eisenach zu schicken.
In der frohen Hoffnung, daß ich mich einer gütigen u. nachsichtigen Berücksichtigung meiner Bitte von Hochdenselben zu erfreun habe unterzeichne ich mich mit der tiefsten Hochachtung als

Ew. Hochwohlgeboren
unterthäniger Diener
Fried. Kühmstedt.



Da Spohr das erbetene Zeugnis am 12.07.1834 ausstellte, dürfte dieser Brief Anfang Juli 1834 entstanden sein.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (03.07.2020).