Autograf: Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz – Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. Mus.ep. Spohr-Correspondenz 1,63
Druck 1: [Ernst Rychnovsky], Beschreibendes Verzeichnis der Autographen-Sammlung Fritz Donebauer in Prag, 2. Aufl., Prag 1900, S. 103 (teilweise)
Druck 2: Horst Heussner, Die Symphonien Ludwig Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, S. 70, Anm. 1 (teilweise)
Beleg 1: Autographen-Sammlung enthaltend Musiker-Briefe und Musik-Manuskripte aus dem Nachlasse des berühmten Komponisten Louis Spohr (1784-1859) nebst Beiträgen aller Art (Fürsten, Staatsmänner, Dichter, Gelehrte, Künstler, etc.) aus dem Besitz eines bekannten Berliner Sammlers. Versteigerung zu Berlin Montag, den 15. und Dienstag, den 16. Oktober 1894 (= Katalog Liepmannssohn), Berlin 1894, S. 59
Beleg 2: Sammlung Fritz Donebauer, Prag. Briefe, Musik-Manuscripte, Portraits zur Geschichte der Musik und des Theaters. Versteigerung vom 6. bis 8. April 1908 (= Katalog Stargardt), Berlin 1908, S. 97
Beleg 3: Georg Kinsky, Versteigerung von Musiker-Autographen aus dem Nachlaß des Herrn Kommerzienrates Wilhelm Heyer in Köln im Geschäftslokal der Firma Karl Ernst Henrici. Montag, den 6 und Dienstag, den 7. Dezember, Bd. 1, Berlin 1926, S. 100

Wien.
 
Sr. Wohlgeborn
Herrn Louis Spohr
Doktor der Tonkunst u. Hofkapellmeister
in
Cassel.0
 
 
Wien, den 8 Merz 1834.
 
Herrn Louis Spohr in Cassel.
 
Hochverehrtester Herrn u. Freund!
 
Was werden Sie zu menem so langem Stillschweigen sagen? Gewiß werden Sie mich freundlich entschuldigen oder bedauern, wenn Sie die Hindernisse wissen. An der Spitze derselben steht eine fast durch 2 Monate hindurch anhaltende Gichtkrankheit, die mich als Wirkung zu anstrengenden Arbeitens bey unsäglich aufgehäuften Geschäften (namentlich das Pfen-Magazin1, wovon ich jetzt eine Auflage bei 7000 Ex habe, und welche die Einrichtung einer zweiten Druckerey erforderte) befiel. Was da alles liegen blieb, und unaufhaltsam expedirt werden mußte. Wie sehr ich mit Arbeit beladen, schließen Sie daraus, daß ich auch einem so hochvehrten Freund wie Sie, so lange nicht schrieb. Aber jetzt thue ich es mit Trost, da ich überzeugt seyn kann, daß Sie mich entschuldigt haben, wenn Sie mir ja wirklich gegrollt haben sollen.
Nun zur Sache, und zuerst zu Personen. Mlle. Heinefetter ist hier mit Contract gebunden, und daher nicht in der Lage, anders Engagements eingehen zu können. Uiberhaupt ist Mangel an guten, brauchbaren Sängerinnen. Ich wüßte in der That für den Augenblick keinen vorschlagen zu können. Wie ich höre, wird Dlle. Schebest hier Gastrollen geben. Ich werde Ihnen, wie ich sie gehört, Nachricht geben. Vielleicht kennt sie Hr Dams von Pesth aus.
Ihre Symphonie mit deren Druck ich eben beschäftigt bin, da ich sie zur O. Messe2 gerne liefern möchte, ist am 4 d. M. zum ersten Mahle im Concert sprituel (im landständischen Saale) producirt worden.3 Die Aufnahme war sehr glänzend; womöglich sprechen sich die wahren Musikkenner mit inniger Bewunderung aus. Ich bin ganz begeistert, und stolz darauf, der Verleger dieses größten Instrumental-Werkes neuester Zeit zu seyn. Dei Produktion war sehr präcis, und in jeder Hinsicht gelungen zu nennen. Vorzugsweise sprach der 1ste u. 3te Satz an. H. Linke spielte das Violoncell-Solo vortrefflich aus. Schönen Effekt machte auch die Terz-Flöte. Man hatte 4 Proben gehalten.
Auf vieles Verlangen werden die Unternehmer (was nicht im Plan war) ein 5. u. 6tes Concert spirituel geben, wobey Ihre Symphonie wiederholt wird.4 – Der Saal ist bey allen Concerten zum erdrücken voll.
Der Walzer: Erinnerung an Marienbad, ist nun endlich auch gestochen, und wir hinsichtlich seines Titels gerade zu rechter Zeit, Anfang des Sommers eintreffen. Herr Strauss hat diesen Ihren Walzer bei seinen Einnahmen gegeben. Er sprach natürlich die echten Kenner, und deshalb weniger die gewöhnlichen sinnlichen Tanzenden welche an üppigen Walzer die nur zu oft auf vorübergehenden Effekt berechnet sind, an. Für das ordinäre Publikum ist jener Walzer auch nicht gedichtet. Doch weiß man hier recht gut zu unterscheiden.5
Noch bitte ich Sie, die Güte zu haben, von anliegendem Verzeichniß die leeren Opus auszufüllen, da ich mir zum Handlungsgechäfte eine vollständige Sammlung Ihrer Werke anlege.
In Betreff der Original-Partitur bitte ich höflichst, mir selbe mit Postwagen einzusenden. Sie werden von mir mehrere Exemplare der gestochenen Partitur erhalten.
Wiederholt um Entschuldigung bittend, und versichernd, daß ein solcher Intervall(?) meiner Correspondenz nicht wieder eintreten werde, begrüßt Sie in vollster Hochachtung
 
Ihr
aufrichtigster Verehrer und Freund
Tobias Haslinger
 
Das ausgelegte Briefporto für H. Dams Kontrakte beträgt f 3. 36 x C.M.

Autor(en): Haslinger
Haslinger, Tobias
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Dams, Friedrich
Heinefetter, Clara
Linke, Joseph
Schebest, Agnese
Strauß, Johann (Vater)
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Erinnerung an Marienbad
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte: Pest
Wien
Erwähnte Institutionen: Concerts spirituels <Wien>
Hoftheater am Kärntnertor <Wien>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1834030852

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Haslinger, 18.11.1833. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Haslinger an Spohr, 31.05.1834.
 
[0] [Ergänzung 14.02.2022:] Auf dem Adressfeld befindet sich oben in der Mitte der Poststempel „WIEN / FRANCO“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefs der Stempel „17 MERZ“.
 
[1] Vgl. die Ankündigung „Wiener musikalischer Pfennig-Magazin“, in: Pfennig-Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, Intelligenzblatt 21.12.1833, nicht paginiert. Siehe auch die Ankündigung eines ähnlichen Unternehmens, zu dem Haslingers Verlagsprodukt in Konkurrenz stand: „Pfennig-Magazin für Pianofortespieler“, in: Wochenblatt für Buchhändler, Musikhändler, Buchdrucker und Antiquare 15 (1833), Sp. 414f.
 
[2] Ostermesse.
 
[3] Vgl. „Wien. Musikalische Chronik des ersten Quartals“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 36 (1834), Sp. 362-367, 398-402 und 418f., hier Sp. 418f.; „Wien. Die Concerts spritituels“, in: Allgemeiner musikalischer Anzeiger 6 (1834), S. 60-64, hier S. 62.
 
[4] Vgl. „Wien. Musikalische Chronik“, Sp. 418; „Wien. Die Concert spirituels“, S. 63.
 
[5] Vgl. „Wien. Musikalische Chronik des vierten Quartals“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 36 (1834), Sp. 143-146, 158ff. und 177f., hier Sp. 178; „Telegraph von Wien“, in: Allgemeine Theaterzeitung 26 (1834), S. 964.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.04.2017).