Autograf: letzter Nachweis siehe Vorlage
Faksimile: Autographs May 5, 2016 (= Katalog Swann 2413), S. 180 [Invaluable]
Druck: siehe Faksimile (engl. Übers., teilweise)
Vorlage: Scan auf Verkaufshomepage des Musikantiquariats Wurlitzer-Bruck, New York (www.wurlitzerbruck.com/autographs/als-12829.htm; dort bis mindestens 03.05.2019 vorhanden, nun verschwunden)

Cassel den 3ten März
1834.

Geehrter Herr und Freund,

Ihr lieber Brief hat mir nun bestätigt was ich schon im Voraus wuste, daß Sie durch Talent, Fleiß und Ausdauer alle Hindernisse überwinden würden, die in Berlin jedem jungen, aufstrebenden Künstler in den Weg geschoben werden. Es gereicht Ihnen dieß um so mehr zur Ehre, da Sie so leicht in den dort herschenden Kunstschlendrian mit hineingezogenen werden konnten, wie einem Alten, wo man gegen äußere Eindrücke noch nicht so unempfindlich ist. Bey der beyspiellosen Unwissenheit und Arroganz der Vorsteher Ihres Kunstinstituts muste es Ihnen allerdings schwer werden, sich Anerkennung zu verschaffen und ich freue mich nur, daß es überhaupt in Berlin noch Leute giebt, die das Streben nach dem Edlern zu würdigen wissen, da das Publikum im Ganzen, aber durch die Schuld jener Geschmackslenker in der Bildung so weit zurückgeblieben ist. Schreiten Sie ja auf dem betretenem Wege rüstig fort und halten Sie so1 der Geschmacksverwildung, die von dort ausgeht, entgegenwirken.
Seit der Wiedereröffnung unseres Theaters bin ich unerhört mit Arbeit überhäuft worden; dieß ist auch der Grund warum ich Ihren lieben Brief erst jezt beantworte. Auf eigene Arbeiten muste ich fast ganz verzichten und so habe ich denn seit 5 Monathen nur eine einzige Komposition zu Stande gebracht, nämlich ein Quintett für Streichinstrumente. Dieß wird nächstens bey Simrock erscheinen. Meine neue, eben da gedruckte Concertante für 2 Violinen, so wie das 3te Doppelquartett und 32 Psalmen für 2 Chöre haben Sie wohl schon zu Gesicht bekommen? Bey Haslinger in Wien ist eine große Sinfonie „die Weihe der Töne“ gedruckt und bey André sind 3 neue Quartetten erschienen. Außerdem habe ich im Herbst neue 4stimmige Männergesänge geschrieben, die aber noch nicht gestochen sind.
Macht mir unser Theater viel Arbeit, so kann ich doch auch für sein Aufblühn in meiner jetzigen Stellung als Mitglied der Direction thätig seyn. Unterdeß hoffe ich denn bald wieder eine der besten Opern in Deutschland zusammen gebracht zu haben. Schon jetzt zählt sie ausgezeichnete Mitglieder wie die Damen Pistor, Meiselbach, Lampmann und Nina Sonntag, den Baritonist Föppel und noch einige andre. Mein „Alchymist“ der früher bey der ungenügenden Besetzung des damaligen Hoftheaters nicht so sehr wie die frühern Opern gefallen wollte, ist nun, mit der neuen Besetzung eine Lieblingsoper des Publikums geworden und hat so meine Vorliebe für ihn gerechtfertigt. Von ganz neuen Opern gaben wir bisher erst eine, nämlich Hans Heiling von Marschner. Sie war sehr gut besetzt und wurde mit großer Genauigkeit gegeben, gefiel aber doch nur theilweise. Vielleicht findet sie bey der nächstend bevorstehenden Wiederholung mehr Eingang. - Vor dem Beginn der Sommerferien werde ich noch 2 neue Opern in Scene setzen „Robert der Teufel“ und „die Fürstin von Grenada“ von Lobe in Weimar.
Meine Frau, die Sie herzlich grüßen läßt, freut sich mit mir Ihres häuslichen Glücks. Auch Hauptmann, Hasemann und Wiele grüßen und freuen sich über die guten Nachrichten von Ihnen, die ich beym Empfang Ihres Briefs mittheilte.
Leben Sie recht wohl und vergnügt und erfreuen Sie mich bald wieder mit einer Zuschrift. Mit herzlicher Freundschaft stets ganz

der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von unbekannt an Spohr.

[1] „so“ über der Zeile eingefügt.

[2] Hier gestrichen: „Psal“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.05.2020).