Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Kurfürstlicher Hofkapellmeister Herrn
Ritter Dr. Louis Spohr
Wohlgeboren
zu
Kassel

hiebei ein Paquet Musikalien
in grauer Packleinwand
gezeichnet
H. S.
Cassel.1


Wohlgeborner
Hochverehrter Herr Hofkapellmeister,

Zu meiner großen Beschämung bin ich durch Ihr gütiges Schreiben vom 11ten d. M. daran erinnert, daß ich Ihnen nocht nicht meinen Dank dafür abgestattet habe, daß Sie uns Herrn Maier als Musikdirekctor gesandt haben. Ich habe mich damit nicht so sehr verspätet weil ich nicht gefühlt hätte, wie sehr Sie mich dadurch aufs Neue verpflichtet haben, sondern um Ihnen zugleich Bericht über seine Wirksamkeit abstatten zu können.
Sein vorzügliches Talent zum Dirigiren, welches durch Ihr Urtheil bereits außer Zweifel gesetzt war, zeigte sich von der ersten Probe an ganz entschieden. Er hat sogleich Besitz von der moralischen Lauterkeit über die Orchesterglieder genommen, welche unumgänglich erforderlich ist, um aus ihnen so viel zu machen, als irgend in ihnen steckt. Er hat dabei freilich einen schweren Standpunkt indem unser Orchester noch ganz unerträgliche Elemente hat, von denen es nur durch eiserne Beharrlichkeit befreit werden kann, aber er weiß sich musterhaft zu nehmen und ich hoffe, daß er seine Aufgabe lösen wird, wenn er nur lange genug bei uns bleibt. Auch als Pianofortespieler ist er tüchtig und der Gesangverein gewinnt unter seiner Leitung. Mit seinem Violinunterrichte bin ich ebenfalls zufrieden; er befolgt Ihre Anweisungen so gewißenhaft, daß ich ihm nur erst ausgezeichnete Schüler wünschte, um eines guten Erfolges gewiß zu sein. Wenn er sich nun auch in seinen Privatverhältnissen noch nicht als vollendeten Finanzmann zeigt, so ist doch sein Benehmen anständig, er findet Geschmack an guter Gesellschaft und erregt in dieser Beziehung keine Besorgnisse. Daß er bei einem feurigen Temperamente und im Bewußtsein innerer Angst(???), in seinem Urtheile und Benehmen noch kecker und rücksichtsloser ist, als man gerade wünschen möchte, scheint mir zu sehr eine Folge seiner entschieden vorzüglichen Eigenschaften zu sein und ist jungen Männern, die früh zu einem höheren Standpunkte gelangen, so eigen. daß ich darüber nicht klagen mag, sondern mich ganz der Hoffnung hingebe, daß in dieser Beziehung die Zeit das Beste thun wird. Für unsre Verhältnisse war sicher kein qualificirterer Mann irgend zu haben und zu wünschen. Ich hoffe auch, daß er sich hier in eine angeneme Lage hineinarbeiten wird und wünsche sehr daß man nicht anders wo eine eben so vortheilhafte Meinung von ihm hegen möge, als ich, da er sonst leicht abtrünnig gemacht werden könnte.
Auch die Stimmen zu Ihren letzten Dingen sende ich Ihnen erst spät. Mein sonst sehr treues Gedächtniß brachte mir es erst2 nach langem vergeblichen Forschen in Erinnerung daß sie im Besitze der Quedlinburger Concertgesellschaft waren, von wo ich sie geliehen erhalten habe. Die verlangte Stimmenzahl ist aber nicht vorhanden; beim Musikfeste waren 1826 brachten Sie so viele mit als nöthig waren, so daß hier auch nicht eine einzige zu finden ist.
Wir haben jetzt Aussicht noch in diesem Jahre ein Musikfest in Magdeburg zu haben3 und ich darf hoffen, daß meine Vorschläge für die neue Organisation des Elbmusikvereins Eingang finden werden, zu denen der gehört, in allen Vereinsstädten beständige Musikvereine zu gründen, welche die Fest veranstalten und sich dabei gegenseitig unterstüzen. Ich hoffe dadurch Terrain für meine größeren Entwürfe zu gewinnen. Indessen habe ich um bisherigen Irrungen vorzubeugen auch vorschlagen müßen, daß jede Stadt bei ihrem Veranstaltungen selbstständig zu operiren habe und deshalb habe ich wenig Hoffnung, Ihnen noch in diesem Jahr meine Huldingungen persönlich4 darbringen zu dürfen: Wenn es Sie nicht langweilt, so gebe ich Ihnen doch aber von dem Erfolge einer Besprechung Nachricht, der ich heute über 8 Tage in Magdeburg beiwohnen werde.
Herr Maier hat mich so dreist gemacht, Sie um Mittheilung einiger Abschriften aus Partituren Ihrer Opern zu bitten, da Sie die Partituren selbst nicht wohl [ent]behren können. Mißbrauch soll nicht damit gemacht we[rden.] Maier wird die Pieçen aufzeichnen, die er hier executiren zu können glaubt. Den Betrag der Copialien bitte ich durch Postvorschuß von mir gefälligst einzuziehen.
Meinem Vater und meiner Schwester was es eine große Freude, bei Ihnen und den verehrten Ihrigen noch im guten Andenken zu sein; sie möchten, daß wir bald wieder durch ein Musikfest zu so werthen Gästen gelangten wenn sich nicht sonst eine Gelegenheit dazu fände und lassen sich bestens empfehlen durch

Ihren
innigen Verehrer
Augustin

Halberstadt den 23sten
Februar 1834.

Autor(en): Augustin, Luther
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Maier, August
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Erwähnte Orte: Halberstadt
Magdeburg
Quedlinburg
Erwähnte Institutionen: Elbe-Musikfeste <wechselnde Orte>
Musikschule <Halberstadt>
Musikverein <Halberstadt>
Singverein <Quedlinburg>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1834022347

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Augustin, 11.02.1834. Spohr beantwortete diesen Brief am 03.04.1834.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „HALBERSTADT / 24.FEBR“, auf der Rückseite des zusammengefalteten Briefumschlags befindet sich der Stempel „K. PR. HAUPT ZOLL AMT / HALBERSTADT“.

[2] Hier gestrichen: „spat“.

[3] Vgl. „Musikfest in Magdeburg am 28sten, 29sten und 30sten May d. J.“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 36 (1834), Sp. 336ff.; „[Am Musikfeste in Magdeburg], in: ebd., Sp. 651; „Ankündigung des am 28., 29. und 30. Mai dies. Jahres in Magdeburg zu feiernden großen Musik-Fests“, in: Neue Zeitschrift für Musik 1 (1834), S. 40; „Magdeburg, am 5. Juli. (Musikfest.)“, in: ebd., S. 111f.

[4] „persönlich“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (26.04.2022).