Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Catlenburg bey Northeim
den 10ten Januar 1834.

Erlauben Sie, mein höchst und innigst verehrtester Freund und Gönner! daß wir uns nach langer Zeit Ihrem und den theuren verehrten lieben Ihrigen freundlicher Erinnerung ein Mahl mit einer frischen Wurst erneuern, für welche wir Ihnen den allerseits besten Appetit wünschen! – Dem sich denn auch alle sonstige gute, und den allem was Sie berührt stets1 herzlichst theinehmende Wünsche bey dem statt gehabten Jahres-Wechsel anschließen! –
Möge nur die denn doch beyspiellose Neujahrs-Nacht nicht als eine kunstgerechte Ouvertüre zu den politischen Entwickelungen dieses 1834ten Jahres zu betrachten seyn!2 – sonst würde es dem doch etwas zu bunt um uns herum werden! –
Wenn gleich Ihre freundliche Wohnung außer der Stadt liegt: so ist die Lage doch ziemlich geschützt durch Bäume und den werden Sie sowohl in der schauerlichen Neujahrs-Nacht als vom 18ten vorigen M. und dann wieder vom 4t d.M. weniger von den Orcan-Wirbeln gelitten haben, als wir auf unseren in freyer Luft schwebenden vel quasi3 Vogelnestern!
Mit großer Freude und Interesse haben wir Ihre Honorirung mit dem Löwen-Orden seiner Zeit gelesen4, als einem Beweis, daß Ihre Verhältniße ungestört gleich angenehm in der so mannigfach veränderten Zeit geblieben sind! –
Von der nun auch wieder neu etablirten dortigen Oper haben wir auch schon einiges recht erfreuliches gehört; und sind sehr gespannt zu hören, ob Sie Selbst auch darinn wiederum einigermaßen befriedigt sind –?
Sollte es sich fügen wollen, vielleicht z.B.Ostern erst(???) nach so langer Zeit ein Mahl wieder ein gutes Concert & endlich doch die Jessonda ein Mahl hören zu können, so würde ich alles aufbiethen, eine solche Wallfahrt zum Tempel der Musen ein Mahl wieder möglich zu machen! –
In der Michaelis-Messe war ich 8 Tage in Leipzig. Ich hoffte sehnlichst, die Aufführung der Jessonda allda vielleicht zu treffen; es gelang aber wieder nicht! – & so ist mein wirklicher Heißhunger vorzugsweise auf diese Oper immer noch nicht gelöscht!!--
Im vorigen Sommer die verlebten Tage in Halberstadt versäumt zu haben, hat mir auch Herzweh gemacht! Gerade die Jahreszeit hat aber immer ihre schwer zu lösenden Ketten und Banden in meinem wirtschaftlichen Wirkungskreise. – Irgend ein Detail(???) davon(???), z.B. namentlich das Entscheidendste für uns in dergl. Fällen, daß Sie, von Ihnen Werken dirigirend, Theil darann nehmen würden, haben unsere miserablen Zeitungen erst hinterher erzählt, statt gerade dergl. Details vorher zur allgemeineren Kenntniß zu bringen!5
Ihnen wie Ihrer verehrtesten theuren Frau Gemahlin und übrigen lieben Ihrigen empfehle ich mich mit meiner Frau erneuert so innig verehrungsvoll und herzlich, als

gehorsamst
CFLueder.

Autor(en): Lueder, Christian Friedrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Halberstadt
Leipzig
Erwähnte Institutionen: Elbe-Musikfeste <wechselnde Orte>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1834011035

Spohr



Der letzte erhaltene, sicher zu dieser Korrespondenz gehörende Brief ist Lueder an Spohr, 06.10.1822. Möglicherweise war ein dazwischen liegender Brief Spohrs aus dem August 1827 an Lueder gerichtet. Spohrs Antwortbrief vom 13.01.1834 ist derzeit verschollen.

[1] „stets“ über der Zeile eingefügt.

[2] Zum Sturm am 31.12.1833 als auch zu dem im Folgenden genannten am 18.12.1833 vgl. Koch, „Schnee- und Windbruch des Jahres 1868 in den sächsischen Staatsaldungen“, in: Tharander Forstliches Jahrbuch 19 (1869), S. 228-243, hier S. 228 und 235.

[3] „vel quasi“ (lat.) = „oder so ähnlich“.

[4] Vgl. „Allerlei“, in: Berliner Musikalische Zeitung 1 (1833), S. 306; „Kassel, 8. Sept.“, in: Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung 11.09.1833, nicht paginiert.

[5] Zum Musikfest in Halberstadt vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 160f., Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 196f.; „Halberstadt, Musikfest am 19., 20. und 21. Juni”, in: Iris im Gebiete der Tonkunst 4 (1833), S. 107f., hier S. 108.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (18.11.2020).