Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Höchstverehrter Herr, Gönner und Freund!
 
Die Sprache hat keine Worte für die Freude und für den innigsten Dank, womit mich Ihr herrliches, liebes Antwortschreiben vom 24sten v. M. so ganz erfüllt hat. Ebendieselben Gefühle erzeugte es auch bey dem Schmidtschen Künstlerpaar, welchem ich dasselbe sofort mittehile. Die gute p. Schmidt vergoß Thränen bei der Durchlesung und brach in Thränen aus: „o! wenn doch das Spohr‘sche Urtheil zur öffentlichen allgemeinen Kenntniß gelangen könnte! - Das würde mehr wirken als Recensionen, würde unfehlbar mein Glück begründen! - Mehr bedurft‘ es für mich nicht, um so gleich ihrem Schreiben ein den Umständen und hiesigen Verhältnißen anpassende Einkleidung zu geben, und in solcher Gestalt dasselbe auszugsweise an die 4 Redactionen, der Leipziger Musikalischen Zeitung1, der Zeitung der eleganten Welt2, der Wochen-Zeitung3 und der Abend-Zeitung4 zum Abdruck zu übersenden. Das allererst von der Abend-Zeitung empfangene Abdruck-Exemplar füge ich für Sie hierbei.
Hinterher freilich, wo die Rathsherrn immer am klügsten sind, wurde mir‘s klar, daß ich jenen Schritt ohne Ihre vorgängige Genehmigung nicht hätte thun sollen und ich sowohl als auch die p. Schmidt machte mir Vorwürfe darüber; jedoch fand ich in dem Gedanken einige Beruhigung, daß Sie mir Ihre Einwilligung um so weniger versagt haben würden, als ich schon in meinem Zuschreiben vom 20t v. M.5 darauf hingedeutet hatte, daß ich von Ihrem Ausspruch, einen die Kunstehre der Madame Schmidt rettenden Gebrauch machen wolle, Sie also hierauf bei Abgabe Ihres Sentiments berücksichtiget(???) haben würden. Daß mich mein Feuereifer für die gute Sache , für den edlen Zweck die Celebrität der p. Schmidt durch Ihren Ausspruch unfehlbar fest zu begründen, zu einer Uebereilung verleitet hat, kann ich gar nicht in Abrede stellen und ich bitte daher bei Ihnen demüthigst und wehmühtigst um Vergebung, bezweilfe diese aber auch nicht, wenn Sie die erste Aufwallung des Zorns gegen mich durch den Gedanken beschwichtiget und besänftiget haben werden, daß Sie duch Ihr vortheilhaftes Zeigniß der Schöpfer des Glücks einer ganzen Familie und einer so liebenswürdigen Frau sind. Wahrlich, es giebt doch keine größere Wollust als das süße Gefühl und Bewußtsein einer schönen Handlung; und wenn schon ich, als das geringe Werkzeug, als Ihr Organ, davon durchdrungen bin, wie viel mehr muß es Sie, die Seele und Urkraft(?) dieses Organs, beglücken! - Darum lassen Sie mich nicht fruchtlos um Ihre Vergebung bitten und ertheilen Sie mir mit derselben die rechtmögliche Zustimmung zu meinen übereilten Handeln.
Zum Schluß noch eine Anfrage und Bitte. Warum haben Sie aufgehört, verständige und gefühlvolle Clavierspieler durch Compositionen für Fortepiano mit obligater Violine zu beglücken?6 - versteht denn noch irgend Einer außer Ihnen, in neuerer Zeit solche Violinstücke zu schreiben? - O! vermehren Sie doch meine musikalische Bibliothek, die alle diese Schätze Ihres Geistes besitzt, mit einem neuen Diamant und eignen Sie diesen mir, Ihrem höchsten Verehrer zu. Die verständige musikalische Welt wird dies jüngste Kind Ihrer Laune auf Händen tragen und ich werde es hegen und plfegen als wär‘ es mir vom Himmel zur Obhut anvertraut.
Leben Sie wohl und glauben Sie sicher, daß ich bis an‘s Grabe mit dem Gefühl unbegrenzter Verehrung und Liebe beharren werde, ganz
 
der Ihrige
Türpen
 
Erfurt
den 24ten November 1833.

Autor(en): Türpen, C.
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Schmidt, Georg
Schmidt, Johanna
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Potpourri, Vl Klav, op. 42
Spohr, Louis : Potpourris, Vl Kl, op. 50
Spohr, Louis : Potpourris, Vl Kl, op. 56
Spohr, Louis : Rondos, Vl Kl, op. 46
Spohr, Louis : Rondos, Vl Kl, op. 51
Erwähnte Orte: Erfurt
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1833112447

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Türpen, 24.10.1833. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist das derzeit verschollene Exemplar von Spohrs Subskriptionsaufruf für den Klavierauszug seines Oratoriums Des Heilands letzte Stunden an Türpen.
 
[1] „Rechtfertigung“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 35 (1833), Intelligenzblatt Sp. 57f.
 
[2] „Aus Erfurt. Spohr‘s Brief“, in: Zeitung für die elegante Welt 33 (1833), S. 908
 
[3] Noch nicht ermittelt.
 
[4] Notiz“, in: Literarisches Notizenblatt [Beilage zur Abend-Zeitung <Dresden>] (1833), S. 360.
 
[5] Türpen an Spohr, 20.10.1833.
 
[6] Spohrs bisherige Kompositionen für Violine und Klavier erschienen 1817 (op. 42), 1820 (op. 46), 1821 (op. 50 und 51) sowie 1822 (op. 56).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.06.2018).