Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,153
Druck: Horst Heussner, Die Symphonien Ludwig Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, Anh. S. 34 (teilweise)

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in Frankfurt a/m

franco.
Nebst einem Paquet Musi-
kalien, gez:
H.W.S.


Cassel den 31sten Octob
1833.

Geliebter Freund,

Beykommend übersende ich Ihnen meine neuen Gesänge für Männerstimmen. Obgleich sie wohl sangbarer sind, wie die ersten, so müssen sie doch sehr rein intonirt und mit genauer Beachtung der Nuancen von Stärke und Schwäche gesungen werden, wenn sie die gehörige Wirkung thun sollen. Sie sind für 4 Solostimmen geschrieben; doch wird der 3te „Sängerleben” sich auch gut ausnehmen, wenn er vom Chor gesungen wird; auch beym lezten Liede wird es sich gut machen, wenn der Anfang des jedesmaligen Refrain „wir sind nicht mehr am ersten Glas” vom ganzen Chor gesungen wird. Hat der erste Tenorist viel Höhe, so wünsche ich, daß sämtliche Lieder einen halben Ton höher gesungen werden, als sie geschrieben sind; dadurch gewinnt die Modulation sehr an Deutlichkeit.
Nun bitte ich Sie noch, ein wachsames Auge auf die Lieder zu haben, damit mir keine Abschrift davon gemacht werde; es würde gut seyn, wenn Sie sie nach jeder Probe oder Production wieder zu sich nähmen. Auch würden Sie mich verbinden, wenn Sie gelegentlich André einmal fragen wollten, ob er sie in Verlag nehmen will? Über das Honorar würde ich mich dann schon mit ihm einigen.
Nächsten Sontag den 3ten beginnen unsre Abonnementconcerte. Im 1sten werde ich mit Wiele meine neue Concertante spielen. Diese habe ich an Simrock verkauft1, der sie noch vor Neujahr herausgeben wird. – Haben Sie die, bey Simrock erschienenen 3 Psalmen noch nicht gesehn oder besser gehört? Können Sie nicht Schelble veranlassen, sie mit seinem Verein einzuüben?
Den 10ten November wird unser neues Hoftheater mit Don Juan eröffnet werden.2 Das Personal der Oper habe ich nun vollständig engagirt bis auf den tiefen [Ba]ß, von dem ich noch Antwort erw[arte.] Sesselmann hat uns nämlich, nachdem er sich schon die Contracte hatte schicken lassen, vor 10 Tagen wieder aufgeschrieben. Sehr begierig bin ich nun, ob die Sänger, die jezt nach und nach eintreffen, unseren Erwartungen einigermaßen entsprechen werden. Ist dies nicht der Fall, so können wir sie Ostern mit besseren vertauschen. Herrn Eicke(?)3 konnte ich kein Engagement offeriren, da bereits 3 Tenoristen angestellt sind.
Herzliche Grüße an die lieben Ihrigen.
Stets ganz

der Ihrige
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 25.10.1833. Speyer beantwortete diesen Brief am 03.11.1833.

[1] Vgl. Spohr an den Musikverlag Simrock, 07.09.1833 und 18.09.1833

[2] Stattdessen eröffnete das Theater zum gleichen Termin mit Fra Diavolo von Daniel-François-Esprit Auber (Reinhard Lebe, Ein deutsches Hoftheater in Romantik und Biedermeier. Die Kasseler Bühne zur Zeit Feiges und Spohrs (= Kasseler Quellen und Studien 2), Kassel 1964, S. 166).

[3] Die Identifizierung mit Carl Julius Eicke ist ohne weitere Quellen unsicher.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (07.03.2016).

Kassel, den 31. 10. 33

... Den 10. 11. wird unser neues Hoftheater mit „Don Juan” eröffnet werden. ...