Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Verehrtester Herr Kapellmeister!
Die innigste Freude hat mir Ihre Ernennung zum Ritter des Löwenorden gemacht.1 Haben wir jha auch keinen deutschen Componisten, der ritterlicher gegen die überhand nehmende Versclavung und Verderbniss des Geschmacks in der Tonkunst kämpft, als Sie. Um so gerechter ist es, daß dem gediegenem Verdienst einmal eine ehrende Anerkennung geworden ist.
Vorigen Winter war ich in Copenhagen und erst im Mai dieses Jahres kehrte ich ganz krank zurück. Ich litt nemlich an Asthma, das zuletzt in Brustwassersucht ausartete. Vom Mai bis vor etwa 3. Wochen, als bis in die Mitte September, schwankte ich tagtägliche zwischen Leben und Tod; jetzt bin ich, Gott sei Dank! wieder hergestellt und bin fleißig mit Componiren, um so mehr da ich bereits einen Verleger2 gefunden habe, der es sich zur Ehrensache gemacht zu haben scheint, die Welt mit meinen wenigen Erzeugnissen bekannt zu machen. Ich weiß nicht, ob ich es wagen darf, Ihnen eine Zusendung meiner Orgelpraeludien zu machen? Wenn Sie mir die Erlaubniss dazu geben, so soll dieß bald mit der ergebensten Bitte geschehen, mir Ihre Meinung unverhohlen über diese Orgelstücke zukommen zu lassen. Diese Tage kommen auch Psalmen für 2 Sopr. u. Bass ohne Begleitung heraus, über die ich ebenfalls Ihr Urtheil vernehmen möchte.
Ein Virtuos auf der Harfe, Herr Schaller, Harfenist im Orchester des Hamburger Stadttheaters, hat mich ersucht eine Fürbitte bey Ihnen zu thun, ihm etwas aus dem reichen Schatze Ihrer Compositionen für Harfe und Orchestre zu gönnen. Er würde mit der Bitte sich direct an Sie gewendet haben, wenn seine Schüchternheit, die wirklich classisch zu nennen ist, nicht hindernd dazwischen getreten wäre. Er spielt übrigens sehr brav und würde den ausgezeichnetsten Fleiß darauf anwenden, Eine Ihrer Compositionen meisterhaft vorzutragen. Wenn Sie also meine und seine Bitte erfüllen, so haben Sie nun die Güte, unter die Adresse: An Zoellner, abzugeben bei H. Musikalienhändler Cranz, es mir zu senden. Es soll unversehrt Ihnen wieder zugestellt werden.
Mich Ihrem gütigen Wohlwollen empfehlend habe ich die Ehre mich achtungsvoll zu unterzeichnen
Ihr
ergebenster
Zoellner
A propos: Heut Abend wird eine Oper v. Krebs gegeben.
16. Trompeten blasen, 6. Hörner u. 4. Posaunen.
Hamburg
d. 9tn October
1833.
P.S. sec: Unterzeichneter erlaubt sich – was der Herr Zoellner vergeßen den hochzuverehrenden Herrn Kapellmeister zu benachrichtigen, daß er folgende Werke von Dero vortrefflichen Compositionen, als:
Grande Sonate pour la Harpe et le Violon, Oeuvre 16.
do. do. do. do. in Es, zu welcher die Violine in D steht.3
Variations pour la Harpe, sur l’air: Je suis encore etc. Oeuvre 36.
Fantaisie " " " in C moll.
bereits besitzt und sich sehr glücklich achten würde, wenn der geschätzte Herr Kapellmeister Spohr ihm außer dem schon vom Herrn Zoellner Erbetenen für Harfe und Orchester, auch Etwas für Harfe allein componirtes mittheilen wollte. Der Erfüllung dieses Wunsches freudig entgegensehend, und der höchst angenehmen Hoffnung lebend, vielleicht noch das Glück eines persönlichen Umgangs mit dem allgemein verehrten Componisten und Virtuosen Herrn Ritter Spohr genießen zu können, unterzeichnet mit der innigsten Hochachtung
ergebenst
J.N. Schaller
Autor(en): | Schaller, Johann Nicolaus Zöllner, Carl Heinrich |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Cranz, August |
Erwähnte Kompositionen: | Krebs, Carl August : Agnes Spohr, Louis : Fantasien, Vl Hf, op. 118 Spohr, Louis : Sonaten, Vl Hf, op. 113 Spohr, Louis : Sonaten, Vl Hf, op. 114 Spohr, Louis : Sonaten, Vl Hf, op. 16 Spohr, Louis : Variationen, Hf, op. 36 Zöllner, Carl Heinrich : Psalmen, Sopr 1 2 Bass Zöllner, Carl Heinrich : Stücke, Org, op. 36 |
Erwähnte Orte: | Hamburg Kopenhagen |
Erwähnte Institutionen: | Cranz <Hamburg> Stadttheater <Hamburg> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1833100943 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Zöllner an Spohr, 26.05.1829. Spohrs Antwortbrief ist derzeit verschollen.
[1] Vgl. „Kassel“, in; Wanderer 05.10.1833, nicht paginiert.
[2] August Cranz.
[3] Dies trifft sowohl auf op. 113 wie op. 114 zu.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.06.2023).