Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,244

Herrn Kapellmeister L. Spohr
Wohlgeb
Cassel
in Hessen


[Frankfurt] 3 Oct 1833.

Theurer Freund und Hochbeglückter Ritter1[!]2

Ihren Brief hätte ich schon längst beantwortet, wenn ich im Stande gewesen wäre, über den wesentlichsten Theil desselben: den Alchymisten etwas definitives auszusprechen. – Grüner, dem ich Ihrem Wunsche gemäß das Buch übergab, hatte während der Messe zu viel Beschäftigung um sich der Lectüre desselben zu unterziehen, und Guhr, der ohne Weiteres und zwar auf seine Verantwortung die Partitur verlangte, ist zu leichtsinnig, als das ich ohne Uebereinstimmung mit Grüner Ihnen das Gelingen meiner Mission anzeigen dürfte. Nun hat Grüner das Buch gelesen und obgleich er mir gestand, daß es ihm nicht sonderlich gefiele, so glaubt er, daß die Musik alles gut machen werde, und läßt Sie nun bitten, Partitur nebst ausgeschriebenen Stimmen an Guhr baldigst zu übersenden. Mit den ausgeschriebenen Stimmen hat es aber bei Guhr eine eigene Bewandniß. Dieser erhält nämlich seit einiger Zeit ein Fixum für Copialien, die er für seine Rechnung stellen muß. Wie willkommen ihm daher eine Oper mit ausgeschriebenen Stimmen sein muß, können Sie sich denken. – Schreiben Sie mir nun Ihre Intentionen wegen der Aufführung, und an mir soll es wahrlich nicht fehlen. – Mad. Fischer gehet nicht nach Berlin auf Gastrollen, da die Direction ihr die Reise mit f 1000. abgekauft hat. Nun wird Zemire in 14 Tagen gegeben und zwar mit vortrefflicher Besetzung. Mit Schmetzer nahm ich den Azor am Klavier durch u. er wird ihn sehr gut singen. – Im nächsten Museum wird Ihre 3te Sinfonie gegeben.
Die Auszeichnung, welche Ihnen durch die Ordensverleihung3 geworden, hat mir u. den meinigen recht Freude gemacht; wahrscheinlich gehet es nun recht vorwärts mit dem Theater, und dann hoffe ich, daß Sie sich zur Abwechslung an eine kleine einaktige Oper machen werden, wenn sich nämlich dazu ein recht ausgezeichnetes Buch gefunden hat, welches man bei den Franzosen nicht lange zu suchen braucht. Der gute Erfolg einer solchen kleinen Oper wird Ihre dramatischen Lebensgeister wieder erwärmen, und ein größeres Werk mag sich dann anschließen zu Ihrem Ruhm und unserer Freude. – Die 4stimmigen Männergesänge erwarte ich mit Sehnsucht. – Gegenwärtig gastirt hier Mad. Pirscher geb. Traut. Ich habe sie noch nicht gehört. Wünschen Sie vielleicht etwas darüber zu hören?
Das neue Doppelquartett ist köstlich und hat uns [Freude gema]cht.4

Von Herzen Ihr
WmSpy.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Speyer, 23.08.1833. Spohr beantwortete diesen Brief am 10.10.1833.

[1] Spohr erhielt im September 1833 vom kurhessischen Prinzregenten Friedrich Wilhelm das Ritterkreuz des Haus-Ordens vom goldnen Löwen verliehen (vgl. Berliner musikalische Zeitung 1 (1833), S. 306; Iris im Gebiete der Tonkunst 4 (1833), S. 152). 

[2] Von diesem Satzzeichen ist nur unten der Punkt erkennbar; der mutmaßliche Strich durch das Siegel überklebt.

[3] Vgl. Anm. 1.

[4] Diese beiden Wörter sind unten im Autograf herausgerissen, durch den Siegelabdruck jedoch oben auf dem Blatt lesbar.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.03.2016).