Autograf: letzter Nachweis siehe Inhaltsangabe
Druck: Karl Brethauer, „Unbekannte Briefe von Louis Spohr (1833/1834), in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 80 (1969), S. 263-270, hier S. 265f.
Inhaltsangabe: 70. Auktion: 18. und 19. November 1968. Bücher, Autographen. Schiffsmodelle, dekorative Graphik, Hamburgensien (= Katalog Dörling 70), Hamburg 1968, S. 91

Cassel den 27sten Sept. 1833
 
Hochgeehrtester Herr und Freund,
 
Ich beeile mich, Ihr geehrtes Schreiben zu beantworten, da ich gerade zwey junge Männer empfehlen kann, die mir zur Übernahmne der fraglichen Stelle sehr geeignet scheinen. Der erste ist Herr Maier, Sohn des Organisten zu Anspach, seit ohngefähr 21 Jahren mein Schüler. Er spielt vorzüglich Solo und ist ein sehr routinierter Orchesterspieler, hat als Leiter eines hiesigen Dilettantenvereins für Instrumentalmusik, auch ein ausgezeichnetes Talent zur Direction gezeigt; hat mehreremale mit vielem Beyfall Concertstücke auf dem Pianoforte öffentlich gespielt und besitzt jedenfalls auf diesem Instrumente die Fertigkeit, Clavierauszüge von Oratorien und Opern a vista zu spielen. Da er manches gelungene komponirt hat und von Jugend auf im Lesen aller Schlüssel geübt worden ist, so darf ich seiner Versicherung wohl trauen, daß er auch aus der Partitur zu accompagniren verstehe. Er würde sich allso zur Übernahme der 3 Funktionen der ersten Stelle sehr eignen, das einzige, was mich bedenklich machen könnte, ihn zu empfehlen, ist sein Leichtsinn und der Hang zu lustigem Leben. Ich habe ihn aber gestern zu mir kommen lassen, ihm die Aussicht auf die Stelle eröffnet und ihn auf sein Gewissen befragt, ob er sich Ausdauer und Stetigkeit zu den damit verknüpften Obliegenheiten zutraue; auch ihm bemerkt, daß bey der ersten Nacfhlässigkeit ihm gleich wieder gekündigt werden würde u.s.w. Er hat mir darauf die heilige Versicherung gegeben, daß er meiner Empfehlung nie Schande machen werde. Da er überdies nun schon 25-26 Jahre alt ist, so wird er ja wohl die ersten Hörner abgelaufen haben! Er hat sogleich an seine Eltern nach Anspach geschrieben und wenn diese nichts dagegen haben, so kann er zur Prüfung oder zur Übernahme der Stelle nach Halberstadt kommen, wenn Sie es wünschen. Er ist übrigens ein junger wohlgebildeter und unterrichteter Mann. Hinsichtlich des Gehalts erwarte ich nun Ihre nähere Bestimmung. Er wünschte, ich mögte bey Ihnen auf 400 Rth antragen.
Der 2te ist ebenfals einer meiner früheren Schüler, Hr. Schmidt in Rinteln. Er war bisher Director des Dilettanten-Vereins in Paderborn. Dieser ist, glaube ich eingegangen und Schmidt hat seine Stelle verloren. Er schrieb2 mir ohnlängst und bat mich um Empfehlung zu einer anderweitigen Anstellung. Er war vor 4-5 Jahren mein Schüler und damals als Geiger sehr brav. Zwar habe ich ihn seit der Zeit nicht wieder gehört, doch hat er sicher keine Rückschritte gemacht, da er ohnlängst in Düsseldorf, Elberfeldt, Münster u.s.w. mit vielem Beyfall Concerte gegeben hat. – An ihn werde ich heute noch schreiben3, damit er sich selbst brieflich an Sie wegen der 2ten Lehrerstelle wende.
Von meiner Frau, Tochter und mir an die lieben Ihrigen die herzlichsten Empfehlungen. Mit wahrer Freundschaft stets ganz
 
der Ihrige
Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Augustin, Luther
Erwähnte Personen: Maier, August
Schmidt, Friedrich (Spohr-Schüler aus Rinteln)
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Düsseldorf
Elberfeld
Münster in Westfalen
Erwähnte Institutionen: Musikschule <Halberstadt>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1833092717

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Augustin an Spohr, 22.09.1833. Augustin beantwortete diesen Brief am 19.10.1833.

[1] Kommentar im Druck: „dahinter getilgt 1½“.
 
[2] Friedrich Schmidt an Spohr, 04.08.1833.
 
[3] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (19.09.2019).