Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr Wohlgeboren
Dem Herrn Kapellmeister Spohr
in
Cassel

frey


Werther Herr Kapellmeister!

Schon lange hätte ich mir die Freiheit genommen Sie von meiner Retour von England zu benachrichten, aber eine Nachricht von dort hielt mich bis daher davon ab. Dieselbe betrifft einen sehr talentvollen jungen Mann der bey der Königinn ihrer privat Kapelle angestellt ist nahmens Blagrove. Er ersucht mich an Sie zu schreiben, u Sie zu bitten ihm Unterricht auf der Violine u Composition zu ertheilen. Ich gab ihm schon in England den Rath zu ihnen zu gehen, u verwandt mich auch deshalb bey der Königinn1, die ihm den Urlaub gegeben hat, u ihm durch ein Jahr seinen Gehalt zu seiner ferneren Ausbildung zugesichtert hat mit der Bedingung auf diese Zeit u zwahr auf seinen Posten einen Stellvertreter an seine Stelle zu schaffen. Indem nun diesem jungen Mann unendlich viel daran gelegen ist seyn Studium unter ihrer Leitung zu volenden, so wollte ich Sie hiermit fragen ob es Ihnen möglich ist, u ob Sie gesonnen wären diesen jungen Mann anzunehmen. Im Fall Sie nun dazu geneigt wären, so würden Sie mich sehr verbinden, indem ich mich sehr für diesen jungen Mann in England interessirt habe, u ihn einiges abgerechnet für den besten Geiger halte den ich in London hörte. Da sich sein Gehalt nur auf 100 Pfund jährlich beläuft, u er hier von noch einen Stellvertreter halten muß der ihm 30 Pfunden kosten soll, so stellt er die Frage an mich, ob er seyn Vorhaben damit wohl ausführen könnte, u ersucht mich zugleich Sie zu bitten mir wissen zu lassen was er Ihnen für ein Honorar zu geben hat auf ein Jahr u wie viel Stunden Sie ihm wöchentlich geben würde. Er istt würklich ein ganz armer Engländer u hat weiter nichts als seinen Gehalt, woraus ihm ohngefähr 460 Thaler übrig bleiben werden, aber hat um somehr Talent, daher ich Sie ganz besonders bitte in Fall Sie ihm zusagen sich seiner auch in allen übrigen gütigst anzunehmen, indem er nur wenig Deutsch versteht. Sehr lieb würde es mir nun seyn wenn Sie mir auch wissen lassen könnten wieviel ohngefähl eine Logie u seine Beköstigung kosten würde. Da er schon zu Ende des kommenden Monat bey ihnen zu seyn wünscht, u mir schreibt das er sich vorläufig aufs ungewisse zu seiner Reise einrichtet, so wollte ich Sie dringend ersuchen mir wo möglich umgehend Nachricht hierüber zu geben. Mein Auffenthalt in London war nicht sonderlich angenehm, indem mir von den dortigen Künstlern viele Hindernisse in den Weg gelegt wurden, u konnte auch daher nicht zu einem Concert kommen, indessen waren alle Concerte sehr schlecht, selbsten Paganini brachte seine Possen nicht heraus, was mich am Ende auch veranlaßte kein Concert zu geben. Wäre mir aber das Glück nicht zu Theil geworden von der Königinn so gut empfangen zu werden, so hätte ich mit einigen Schulden von dort abgehen können, denn ich hatte die gantze Zeit auch nicht eine Einladung; trotz dem sich die Königinnn so sehr für mich interessierte. ich spielte sehr oft am Hofe, gab mehren Unterricht den ich sehr gut bezahlt bekam u reparierte Instrumente, womit ich mir am Ende doch ein hübsches Geld gemacht habe.2 Hummel wohnte in meiner Nachbarschaft, wir kamen oft zusammen, er aber sehr unzufrieden, seyn Concert fiel sehr schlecht aus, u trotz dem er Local frey hatte u ich ihn der Königinn ihr Orchester verschaffte, indem er in der größten Verlegenheit war u in London keins zusammen bringen konnte da hatte er nur 30 Pfund übrig.3 Seine Theatergesellschaft die er dirigirte machte kein Glück, die ersten Partien waren auch nicht sonderlich besetzt, und das Ensemble fand ich auffallend, u war würklich so gut wie ich‘s nirgends gehört habe, das Orchester war aber ganz erbärmlich schlecht, so wie überall in England.4 Die 2te Deutsche Gesellschaft machte gute Geschäfte, bey dieser waren die ersten Parthien durch die Schröder-Devrient, Haitzinger, Dobler besetzt, die Chöre waren aber oft nicht zum anhören, das Orchester unter aller Würde, u Kapellmeister Cellar5 war seiner Sache sehr unsicher.6 In der Philharmonie hörte ich außer mehren Beethovschen Sachen auch Ihre Simphonie in Cmol, aber nicht gut, sie wissen nicht was sie mit einem solchen Werk anfangen sollen, vorzüglich den Geigern u Blätern fehlt es zu sehr an Mitteln um Ihre u die Beethovschen Werke gut auszuführen. Einen sehr guten Freund fand ich an Herrn Kollmann dessen Sie sich wahrscheinlich noch erinnern werden, er sprach mit großer Liebe von Ihnen u bat mich Sie herzlich zu grüßen. Es hat mir leid gethan das ich Sie bey meiner Durchreise in Cassel nicht sehen konnte, ich kam des Nachts dort an u konnte mich nicht aufhalten, indem ich den 9tenTage in Liebenstein eintreffen mußte. Auch hat es mir unendlich leid gethan Hasemann hier nicht mehr anzutreffen. Wenn es mir möglich ist so komme ich vielleicht zu Anfang Nov. nach Cassel, unsere Herschaften sind abwesend u so wie es liegt(?) bleiben Sie lange aus. Grund befindet sich sehr woll7, er hat so eben Variationen geschrieben die ganz vortrefflich sind. Er läßt Sie u Ihre liebe Frau herzlich grüßen.
Unter vielen herzlichen Empfehlungen von meiner Frau an Sie u Ihre liebe Frau, u von unserm alten Stradivarius(???) empfiehlt sich mit der vollkommensten Hochachtung

Ihr ergebener G. Knoo[p]

Meiningen
den 25ten Sebt. 1833.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Knoop an Spohr, 09.07.1823. Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Knoop an Spohr, 06.03.1839.

[1] Adelaide war die Schwester von Knoops Dienstherren Bernhard II. von Sachsen-Meiningen.

[2] Knoop trat zumindest am 29.04. im fünften Konzert der Royal Philharmonic Society auf („Philharmonic Concerts“, in: Harmonicon 11 (1833), S. 134f., hier S. 134; „The fifth Philharmonic Concert“, in: London Literary Gazette (1833), S. 284). Zu seiner Mitwirkung an Veranstaltungen des Hofes vgl. „Their Majesties“, in: Court Journal 5 (1833), S. 267.

[3] Vgl. „M. Hummel‘s, Opera Concert Room, Monday Morning, May 13“, in: ebd. 156.

[4] Vgl. „[The celebrated Hummel of Weimar“], in: London Literary Gazette (1833), S. 155.

[5] Hyppolyte Chelard (vgl. „Hints to Leaders and Conductors“, in: Harmonicon 11 (1833), S. 95f., hier S. 96).

[6] Zum Gastspiel vgl. „[Beethoven‘s Fidelio]“, in: Harmonicon 11 (1833), S. 140; „Drury-Lane Theatre“, in: ebd., S. 160; „Covent Garden Theatre“, in: ebd., S. 183f.; „Covent Garden“, in: Court Journal 5 (1833), S. 385.

[7] Sic!

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.06.2021).