Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Halberstadt1 am 3 Juli 1833.

Hochverehrter Herr Kapellmeister,

Wenn gleich noch einige Wochen vorübergehen werden, ehe Sie bei Ihrer Rückkehr nach Cassel diese Zeilen empfangen: so kann ich doch das Kistchen mit den Musicalien und der Decke nicht absenden, ohne Ihnen wenigstens mit einigen Worten zu sagen, wie hoch wir das Glück schätzen und stets schätzen werden, Sie und Ihre vortreffliche Gattin2 und Fräulein Tochter3 näher kennen und was einerlei ist verehren und lieben gelernt zu haben. Sie sind sämmtlich so gütig gewesen über die großen Unbequemlichkeiten meiner Wohnung hinwegzusehen und die wenige Aufmerksamkeit, die wir Ihnen in jenen Tagen der Unruhe zu widmen im Stande waren, freundlich zu entschuldigen. Diese Nachsicht allein kann uns deshalb in Etwas beruhigen und wie und das Andenken an Sie durch das ganze Leben unauslöschlich heiter begleiten wird; so bitten wir Sie angelegentlichst auch unsrer nicht ganz zu vergessen. Möchten doch die Heilquellen, die Sie jetzt besuchen ihr ganzes Heil über Ihre herrliche Gattin ausströmen und Sie sämmtlich so stark und glücklich nach Cassel zurückkehren, als wir es Ihnen von ganzem Herzen wünschen! Vielleicht, diese Hoffnung kann und werde ich nicht aufgeben, führt uns ein günstiges Geschick bald einmal wieder zusammen, sey es wo es sey und das wird uns dann eine große Freude seyn.
In dem beikommenden Kistchen, das der Tischler erst gestern geliefert hat, weshalb ich die so lange Verzögerung der Absendung bestens zu entschuldigen bitte, finden Sie oben auch die Pultdecke, die ich auf das sorgfälitigste zu verpacken mich mich bemüht habe und im übrigen Raume derselben 1) der Clavierauszug von Samson 2) die Concertante 3) die Ouverture und 4 die Partitur vom Alchymiste, so wie endlich 5 ein Paket mit Programmen und zwischen diesen besonders emballirt4 der [???]teller(???). Aus einem vom Herrn Musikdirector Bischoff zurückgelassenen Zettelchen sehe ich, daß das Vater Unser nach Leipzig gekommen ist, ob mir oder ohne Ihr Wissen, kann ich nicht errathen, da mein Sohn nicht hier, sondern zu seiner Aufheiterung u Erholung auf acht Tage nach Thale verreist ist. Er befindet sich sonst ziemlich wohl, nur die Nerven sehr angegriffen, was wohl nicht zu verwundern ist.
Das Rechnungswesen macht sich besser, als er geglaubt hat u er hofft daß die Gesammteinnahme von etwas über 4300 Rth die Gesamtausgabe fast ganz decken werde u ich gestehe daß mir dieß große Freude machen würde.
Vor seiner Abreise hat mir mein Sohn aufgetragen ihn Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin u Fräulein Tochter angelegentlichst zu empfehlen. Meine Tochter Ida u ich bitten Sie aber ganz besonders uns etwas lieb zu behalten, auch in dieser Hinsicht unser gütigen Fürbitten bei Ihrer hochverehrten Gattin und Tochter zu seyn.
Mit ausgezeichnester Hochachtung
Ihr

treuergebenster
Augustin



Das letzte erhaltene Schriftstück dieser Korrespondenz ist Spohr an Augustin, 22.06.1833. Spohr beantwortete diesen Brief am 02.08.1833.

[1] „Halberstadt“ auf dem Briefpapier vorgedruckt.

[2] Dorette Spohr.

[3] Therese Spohr.

[4]emballiren, einpacken, einballen“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörtebuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 167).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.03.2022).