Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Mein verehrter Freund!

Die anderweitige Verpachtung des hiesigen Theaters ist abermals eine unschuldige Veranlaßung, Sie! theurer Freund! mit einigen Zeilen behelligen zu müßen. Herr Mejo nehmlich; früher ein zarter Tenor, und durch seine musikalischen Kenntnisse im Allgemeinen, als Regisseur seit mehreren Jahren schon hier angestellt, wünscht bey der bevorstehenden Veränderung vorzugsweise einen Platz bey einem Hoftheater. Sollten Sie daher, mein werther Gönner und Freund! bey deren nunmehro zu treffenden Engagements. Ihrerseits1 nach dem beigefügten Rollenfach auf ihn und seine Frau zu reclectiren sich besorgen fühlen, so hat er meine Bevorwortung hierüber nachgesucht.
Musikalisch ist er; die Stimme hat jedoch bedeutenden Schiffbruch erlitten, weßhalb ihm hierbey die Gewandheit in der Musik und großes Talent im Komischen zu statten komt; und da er hierin auch Bedeuthendes im Lustspiel leistet, so ist er nicht mit Unrecht unter die Lieblinge des hiesigen Publikums zu zählen – dasselbe gillt auch für beyde Fächer von seiner Frau – Eine noch genauere Auseinandersetzung wünschte ich aber doch, sollten Sie hierüber noch von Hesse ein, der vielleicht noch in Cassel sich befindet, oder doch in der Nähe herumschwärmt, und welcher besagtes Künstler-Paar oft genug gehört u gesehn haben wird, um darüber ertheilen zu können.2 Bey der Formirung einer Theater-Gesellschaft kann man, wie ich glaube, nicht vorsichtig genug zu Werke gehn.
Herr Mejo hat durch die zu führende Regie eine nicht unbedeuthende Gage mit seiner Frau; über ein zu treffendes Angagement3 bedarf es daher ein desto mehr einer genommenen Information;4 unter jeden Umständen aber5 bittet er um Verschwiegenheit, weil er vom neuen Theater-Pächter,6 Herrn Haake in Mainz, den Antrag erhalten, seine jeztige Stellung hieselbst, auch ferner beizubehalten –

Die nunmehr erschienene Violin-Schule meines würdigen Lehrers und Freunde wirft mich wieder um 20 Jahre zurück – Will ich nehmlich die darin enthaltenen Aufgaben nach u nach deutlich lösen, so muß ich, wie damals Stundenlange Übungen nicht scheuen. Da dieselben jedoch so gehaltreich sind, wie keine Schule sie aufzuweisen hat, so füget man sich auch mit Lust u Liebe dazu angezogen. Sie sind u bleiben schon ein Mann sondern Gleichen, und über alle füge ich mich ergeben wenn ich mich ferner nennen darf, als Ihren

treuesten Anhänger
u Freund FNass.

Breslau d. 23 Mai 1833.

Der Frau Capellmeisterin Dorettchen genant, meine herzlichsten Empfehlungen in die Versicherung inniger Freundschaft von Seiten meiner Gattin.

Mein Nass darf den Brief nicht schließen ohne das einige Worte aus meiner Feder mich in Ihr Gedächtniß zurückrufen. Sie meine liebe Freundin! und Ihre holden Töchter, umarme ich von ganzem Herzen, und würde mich unednlich freuen, wenn das Geschik, uns wieder vereinen mögte.

Auguste.7

Autor(en): Nass, Auguste
Nass, Franz
Adressat(en): Spohr, Dorette
Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Haake, August
Hesse, Adolph
Mejo, Franz
Mejo-Straub, Rosa
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Violinschule
Erwähnte Orte: Breslau
Kassel
Erwähnte Institutionen: Stadttheater <Breslau>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1833052340

Spohr



Der letzte erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Nass, zwischen 03.02. und 13.03.1833. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Nass an Spohr, 23.06.1843.

[1] „Ihrerseits“ über der Zeile eingefügt.

[2] Franz Mejo bat  Adolph Hesse etwas später ebenfalls um eine Empfehlung (vgl. Hesse an Spohr, 16.07.1833).

[3] Sic!

[4] Hier gestrichen: „und“.

[5] „aber“ über der Zeile eingefügt.

[6]Hier gestrichen: „hieselbst“.

[7] Die Nachschrift von Auguste Nass befindet sich auf einem separaten Zettel; somit ist die Zuordnung zu diesem Brief spekulativ.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.02.2022).