Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Scheibler:4
Druck: Wolfgang Arbogast, „Sieben Briefe von Johann Heinrich Scheibler (1777-1837) an Louis Spohr (1784-1859). Der Krefelder Fabrikant und Musikliebhaber an den Komponisten und Kapellmeister in Kassel“, in: Heimat. Krefelder Jahrbuch 63 (1992), S. 157-168, hier S. 165

Verehrtester Herr und Freund,

Ich habe es übernommen bei Ihnen anzufragen, ob sich der 18jährige Hermann Wolf bei Ihnen presentieren darf, um, falls Sie mit seinen Anlagen und Leistungen zufrieden wären, unter Ihre Schüler aufgenommen zu werden. Ich weiß daß dieser talentvolle junge Mann, Ihnen sehr gefallen wird, sowohl seines Benehmens wegen, als wegen seiner musickalischen Talente. Er spielt das Pianof. Orgel, und besonders Violine, und da darf ich Sie versichern daß er verdient Ihr Schüler zu sein. Seine Kunst ist sein Leben und sein Genuß. Er findet hier Unterstützung um sich auszubilden, da sein Vater eine zu große Familie hat, um selbst zu helfen.
Da ich weiß daß Sie gewöhnlich nach Nenndorf gehen, so wünscht Herr Wolf zu wissen wann er kommen darf.
Vorigen Herbst war ich bei Professor Munke in Heidelberg, der sich sehr für meine acustischen Arbeiten interessiert, und London & Petersburg davon vorläufig benachrichtigt hat. Er wird jetzt eine Ausarbeitung für Poggendorfs Journal (physickalisches,) darüber beginnen.1 In der Frankf. Ober-Postamtszeitg. vom 29. September vor. Jahres, können Sie lesen, was H. Schnyder von Wartensee davon sagt.2 Dieser Herr wird den Gegenstand in der Leipz. musick. Ztg. ausarbeiten.3 Ich selbst werde ebenfalls mich für die Layen vernehmen lassen.
Sie haben mir wohl einmal gesagt, daß es auffallend sei daß man in der musickalischen Stimmung, von der mathematischen Correctheit abweichen müsse um rein zu sein in allen Tonarten.
Nach meiner Einrichtung wird das musickalische Ohr gar nicht gefragt, ob die Reinheit oder Richtigkeit vorhanden sei, sondern das Auge urtheilt in letzter Instanz, und das Ohr 4 hat bloß zu zählen. Auf dem Wege, (durch den Pendel,) kann ich beweisen, daß mein größter Fehler in einem Accord 1/17000 ist, und der 2te 1/50000, – Hört! Hört!
Ich mögte wünschen Sie kämen zu[m] Pfingstfest nach Düsseldorf und besuc[hten] auch mich dann auf 8 Tage. Sie würd[en] glaub’ ich interessantes hören und sehen.
Bespeculieren Sie gelegenthlich auch einmal einl.5 Lytographie6. Sie stellt die 1te oder einfachste Gattung von Stößen dar. Es giebt aber 8 Gattungen, welche ich alle factisch, mit Tönen u. durch den Pendel, beweisen kann.
Genehmigen Sie meine herzlichsten Grüße

Ihr Verehrer
Hch Scheibler

Crefeld am 3ten May
1833.

Autor(en): Scheibler, Heinrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Munke, Georg Wilhelm
Schnyder von Wartensee, Franz Xaver
Wolff, Hermann
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Düsseldorf
Heidelberg
Nenndorf
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1833050347

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Scheibler an Spohr, 03.02.1832. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Scheibler an Spohr, 20.07.1835.

[1] Georg Wilhelm Muncke, „Bemerkungen über die Versuche des Hrn. Lenz in Betreff der Drehungen des Coulombschen Wagebalkens, und Nachricht von den akustischen Versuchen des Hrn. Scheibler“, in: Annalen der Physik und Chemie 29 (1833), S. 381-404.

[2] Noch nicht ermittelt.

[3] Da Franz Xaver Schnyder zu Wartensee dort selbst als Referenz erwähnt ist, ist er vermutlich nicht der Verfasser von Rez. „Der physikalische u. musikalische Tonmesser [...]“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 36 (1834), Sp. 758ff.

[4] Hier ein Buchstabe gestrichen.

[5] „einl.“ wohl Abk. f. „einliegende“.

[6] Noch nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.06.2021).