Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeboren
dem Herrn Capellmeister
Louis Spohr
in
Cassel


Mein hochverehrter Freund!

Im Vertrauen auf Ihre langjährige Freundschaft nehme ich mir die Freiheit Ihnen meinen lieben zweyten Sohn Georg zu empfehlen welcher seine Ferien von Göttingen aus dazu benutzen will um in Cassel sich in der Musik und dem Violoncellspielen zu vervollkommnen. Er ist ein guter Mensch und mit einem nicht ganz gewöhnlichen Musiktalente begabt, aber noch ohne Erfahrung und höchst linkisch in allen oekonomischen Angelegenheiten. Sie würden mir daher einen großen Dienst erweisen wenn Sie und Ihre liebe Frau bey vorkommenden Veranlassungen ihn mit gütigem Rath unterstützen ihm überhaupt einiges Interesse schenken wollten. –. Bey einem Vater der seine Kinder so liebt wie Sie hoffe ich deshalb auf gütige Nachsicht.
Ihr lieber Brief vom 2 Decbr hat uns und allen hier die sich für Sie interessiren die größte Freude gemacht, die schöne Feyer des so schönen Festes in Ihrer Familie muß zu den erhabensten Freuden gehört haben welche dieses Erdenleben darzubieten im Stande ist.
Im vorigen Monath bin ich in Berlin gewesen und habe mit großem Interesse Ihre neue GesangScence dort von Hubert Ries spielen gehört. Leider was das Spiel für die schöne Composition, wenn gleich rein, doch kalt und überall nicht bedeutend genug, auch war die Begleitung unter Mösers Leitung nichts weniger als vollkommen.1 Der Violoncellist Ganz der sich in demselben Concert hörte hat mir sehr wohl gefallen, wie sehr wäre ihm ein besseres Instrument zu wünschen. – Die Musik liegt leider jetz in Berlin sehr im Argen, die nähere Bekanntschaft Felix Mendelsohns Bartholdy hat mich am meisten befriedigt.
Meine Frau empfiehlt sich mit mir Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin auf das herzlichste und ich zeichne mit der wärmsten Verehrung und Anhänglichkeit

Ganz der Ihrige
B. Hausmann

Hannover
den 12 März 1833.

Wissen Sie uns denn gar keinen tüchtigen Solo Spieler zum Concertmeister zuzuweisen?

Autor(en): Hausmann, Bernhard
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Ganz, Moritz
Hausmann, Georg
Mendelssohn Bartholdy, Felix
Möser, Carl
Ries, Hubert
Spohr, Dorette
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Konzert in Form einer Gesangszene, Vl Orch, op. 47
Erwähnte Orte: Berlin
Göttingen
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Berlin>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1833031247

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Hausmann, 02.12.1832. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Hausmann an Spohr, 16.04.1833.

[1] Hausmanns Darstellung entspricht einer Kritik zum Konzert am 07.02.1833: „Hierauf liess uns Hr. Kammermusikkus Ries Spohr ‘s neuestes Concert für die Violine, in Form einer Gesang-Scene hören, dessen Composition durch weiche Haltung, schöne Melodie und grossartigen Charakter, wie durch die Neuheit der Form ansprach, wenn gleich die dem Style des harmonisch gewandten, ungemein wirkungsvoll instrumentirenden Tonsetzers, eigenthümlichen Melismen und enharmonischen Ausweichungen auch in diesem Musikstücke den Componisten der Oper Jessonda leicht wieder erkennen liessen. Hr. Kammermusikus Ries trug die sehr schwere Solo-Partie fast ganz rein, sehr weich, fast mitunter nicht energisch genug, doch mit grosser Fertigkeit und ganz dem Style der Composition angemessen vor.“ („Berlin, den 1sten März“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 35 (1833), Sp. 194-198 und 211-215, hier Sp. 195; vgl. „Berlin“, in: Berliner musikalische Zeitung 1 (1833), S. 52). Spohrs Konzert in Form einer Gesangszene op. 47 (1816) kann ebenso wenig wie Spohrs damals neuestes Concertino op. 79 (1828) im Jahr 1833 als „neu“ bezeichnet werden.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.10.2021).