Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Sr. Wohlgeb.
dem Churfürstlich Hessischen Hofkapellmeister
Dr. Louis Spohr
in
Cassel.1


Lübeck, den 5ten Febr.
1833.

Wohlgeb.
Hochverehrtester H. Kapellmeister!

Wie gewöhnlich muß ich auch jetzt mit um Verzeihung bitten anfangen, denn pflichtgemäß mußte ich Ihnen schon vor längerer Zeit für die von Ihnen gegeben Erlaubniß, die Jessonda-Partitur gebrauchen zu dürfen, im Namen der Direction den ergebensten u. verbindlichsten Dank sagen, u. ich darf wohl hoffen, daß Sie auf diesmal mir Ihre große Nachsicht nicht versagen werden. Leider sind die Umstände der Direction bis jetzt von der Art gewesen, daß es ihnen nicht möglich war, die Jessonda mit der nöthigen u. gehörigen Ausstattung geben zu können, was ihre Lage bestimmt um Bedeutendes verbessert haben würde; aber da sie schon jetzt seyd ein paar Monaten nicht im Stande waren die Gagen völlig zu entrichten, welches wohl an dem so sehr niedrig angesetzten Abbonement herrührte, so mußte jetzt der Punkt eintreten, wo es sich entweder völlig auflösen, oder durch größere Hälfte an Seiten des Publicums fortbestehen würde. Es ist nun zu erwarten, daß die Bemühungen des Comitté nicht fruchtlos seyn werden, und geht das Publicum für fernere Zeiten ein höher angesetztes Abbonement ein, so besteht es bestimmt fort; aber jetzt steht die Sache mißlich, weshalb die besten Mitglieder sich nach andern Engagements umsehen, und da uns zu Ohren gekommen ist, das Theater in Cassel werde jetzt wieder anfangen, so beabsichtigt Demoiselle Sulzer, welcher hier als Subrette engagirt ist, bey Ihnen anzufragen, ob vielleicht ihr Fach noch vacant und sie Aussicht zum Engagement haben könne, weshalb sie mich auch bat, einige empfehlende Worte an Sie zu richten, welches2 ich um so mehr mit großem Vergnügen thue, weil sie wirklich in ihrem Fache eine höchst angenehme Erscheinung ist, Kunst u. Natur zu verbinden weiß, in jeder Hinsicht, so wie sehr musik qalisch gebilet ist, u. ihr wegen allen diesen guten Eigenschaften wirklich eine besser u. sichere Existenz zu wünschen wäre.
Auch meinerseits kann ich nicht umhin Ihnen zu gestehn, obgleich ich mit meiner jetzigen guten Stellung hieselbst ganz zufrieden seyn kann, ich mich doch immer wieder in Ihre so sehr bildungsreiche Nähe zurück wünsche, um wenn es mit Ihrem Theater wirklich an dem ist, u. vielleicht noch Orchestermitglieder engagirt werden sollen, so bitte ich Sie recht sehr, mich u. meinem Bruder3, den ich als Geiger aber vorzüglich als Oboist sehr empfehlen darf zu berücksichtigen, im Fall aber keine Aussicht dazu vorhanden ist, es vor jedermann geheim zu halten die Güte haben werden. In der angenehmen Hoffnung einer baldigen Nachricht von Ihnen, empfiehlt sich Ihnen u. Ihrer höchst geschäten Familie angelegentlichst
Ew. Wohlgeb.


stets ergebenster u. Sie höchst verehrender
G. Herrmann.

Autor(en): Herrmann, Gottfried
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Herrmann, Carl
Sulzer (Sopran)
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Lübeck
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Stadttheater <Lübeck>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1833021540

Spohr



Das letzte erhaltene Schrifstück dieser Korrespondenz ist das Zeugnis von Spohr für Herrmann, 24.09.1831. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Herrmann an Spohr, 24.07.1835, aus dem hervorgeht, dass Herrmann zu den Adressaten von Spohrs Subskriptionseinladung für den Klavierauszug seines Oratorium Des Heilands letzte Stunden gehörte, dessen an Herrmann gerichtetes Exemplar derzeit verschollen ist.

[1] Rechts oben befindet sich auf dem Adressfeld der Poststempel „LÜBECK / [???] / 5 Feb“; rechts neben dem Adressfeld der Stempel „8 FEB 18[33}“; über dem handschriftlichen „franco.“ ein gestempeltes „Franco“.

[2] „welches“ über gestrichenem „weshalb“ eingefügt.

[3] Carl Herrmann.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (30.08.2021).