Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.5 <Haslinger 18321111>
Beleg 1: Autographen-Sammlung enthaltend die Autographen aus dem Nachlaß der Clarinettisten Heinrich und Carl Baermann, München, des Philologen Geheimrat Bernh. Rud. Abeken, Osnabrück († 1866), sowie aus dem Archiv einer bedeutenden Musikalienhandlung. Versteigerung 29. und 30. November 1922 (= Katalog Henrici 80), Berlin 1922, S. 76
Beleg 2: Autographen: 12. und 13. Mai 1930 (= Katalog Stargardt 306), Berlin 1930, S. 60

Cassel den 11ten November
1832.
 
Hochgeehrtester Herr und Freund,1
 
Beykommend übersende ich Ihnen die beyden Abtheilungen der Schule revidirt zurück. Ich habe dazu, da ich grade keine drängende Arbeit vorhatte, nur einige Tage gebraucht, doch werden Sie demohngeachtet lange genug darauf warten müssen, da das Paquet hieher 13 Tage unterwegs war. [Damit Sie diesen Brief früher erhalten, schicke ich ihn ohne das Paquet mit der reitenden Post. Das Paquet folgt morgen mit fahrender Post.]2
Die sämtliche Arbeit ist sehr vorzüglich ausgefallen und besonders sind die Musikstücke sehr zweckmäßig eingetheilt, auch sehr aufmerksam korrigirt, so daß ich kaum einige kleine Fehler gefunden habe. Im Text ist aber noch vieles nachzubessern, hauptsächlich, was die Orthograpie betrifft. Einiges fällt mir zur Last: so habe ich z.B. dieß immer mit einem ß geschrieben, da es doch nur ein s (dies) sein soll. Das meiste hat aber Ihr Correktor verschuldet, der Fehler hineinkorrigirt hat, Wie: tretten, Brott, welches beydes nur mit einem t geschrieben wird. [auch Aufstreich (statt Aufstrich) ist falsch.]3 Elbogen statt Ellenbogen (wie wir hier allgemein schreiben) mag aber wohl besser seyn; deshalb habe ich es auch stehen lassen. So ist auch efektvoll mit einem f richtig verbessert. Ich bitte nun, daß Ihr Stecher alle Verbesserungen sorgfältig in die Platten einträgt.
Auf den Zeichnungen fehlen noch sämtliche Zahlen und Buchstaben, die ja nicht vergessen werden dürfen.
Da Sie es für nöthig erachtet haben, auf dem Titelblatte, meinem Namen noch Titel beyzufügen, so hätte ich dieß am liebsten, wie folgt gewünscht:
Louis Spohr, Doctor der Tonkunst und Kurfürstlich-Hessischer Hofcapellmeister, wie auch Ehrenmitglied mehrerer academischer Gesellschaften und Kunstvereine.
Ist es möglich, daß es noch so abgeändert werde, oder daß die Titel ganz wegbleiben, so bitte ich recht sehr darum. (Hofcapellmeister in Cassel ist jedenfalls nicht gut, noch gebräuchlich.)
Das Portrait ist sehr schön lithographirt, doch hat es durch die Verkleinerung etwas fremdartiges bekommen, was der Ähnlichkeit schadet. Ich weiß es jedoch nicht näher zu bezeichnen; auch würde es zu nichts helfen können. Jedenfalls ist dieß Portrait das beste von allen bisher erschienenen. Da der Namenszug unter der Zeichnung, so viel ich mich erinnere, sehr steif und schlecht gerathen ist, so bitte ich, ihn nach dem Blatt machen zu lassen, welches ich dem Portrait jezt beygelegt habe.
Schlüßlich will ich Ihnen noch Nachricht geben von einem neuen Werke, welches ich ohnlängst beendigt und im lezten Abonnementconcerte zum ersten mal öffentlich zu hören gegeben habe. Es ist dies eine neue Gattung von Instrumentalmusik, ein Tongemälde, in Form einer großen Sinfonie, nach einem (sehr vorzüglichen) Gedicht von C. Pfeiffer „die Weihe der Töne“. Das Gedicht muß mit abgedruckt und vor Aufführung der Sinfonie laut recitirt oder in Abdrücken unter die Zuhörer vertheilt werden. Da sich das hier (wegen gewisser Umstände) nicht gut thun ließ, so gab ich folgende Inhaltsdeutung auf dem Concertzettel:
Erster Satz: Largo. Starres Schweigen der Natur vor dem Erschaffen des Tons. Allegro: Reges Leben nach demselben. Naturlaute. Aufruhr der Elemente.
Zweiter Satz: Wiegenlied. Tanz. Ständchen.
Dritter Satz: Kriegsmusik. Fortziehen in die Schlacht. Gefühle der Zurückbleibenden. Rückkehr der Sieger. Dankgebet.
Vierter Satz: Begräbnismusik. Trost in Tränen.
Die Sinfonie, die ich im Herbst schon öfter probirt hatte, hat hier in der Gegend so viel Aufsehen erregt, daß ich von allen umliegenden Städten gebeten worden bin, sie zur Aufführung herzuleihen. Dieß habe ich, mit Ausnahme von Frankfurt a/m abgelehnt, wo sie in 8 Tagen im Museum aufgeführt werden wird, und von wo aus dann auch warscheinlich öffentliche Beurtheilungen ausgehen werden. Ich wünschte bald von Ihnen zu erfahren, ob Ihre Verhältnisse Ihnen gestatte, dies Werk zu verlegen. Hochachtungsvoll der Ihrige Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Haslinger
Haslinger, Tobias
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Violinschule
Spohr, Louis : Die Weihe der Töne
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Kassel
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Museumsgesellschaft <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1832111122

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Haslinger, 24.07.1832. Haslingers Antwortbrief vom 02.12.1831 ist derzeit verschollen.
 
[1] Zwischen Datum und Anrede sind von anderer Hand Empfangs- und Antwortvermerk des Verlags eingefügt: „Spohr in Cassel / 11 Nov. 1832. / erhalten _ 19 Nov. / beantw. _ 2 Dez.“.
 
[2] Am linken Seitenrand eingefügt.
 
[3] Am linken Seitenrand eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.04.2017).