Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.3 <18320615>

Liebe Ida!

Während die Andern hingegangen sind, um die, hier auf dem Exerzierplatze neu errichtete colossale Säule1 zu besteigen; der wir schon vorläufig gestern abend auf den Fuß getreten haben, ergreife ich die Feder, um die wenigstens mit ein paar Worten Rechenschaft abzulegen wie ich den, von Dir erhaltenen Auftrag besorgt habe. Wir trafen gestern den alten Hitzkopf2 und die pomadige Grosmutter3 schon auf den zum rendez-vous bestimmten Platz angelangt. Nachdem die ersten Herzensergießungen vorüber waren frag ich sogleich dem Vater mein Anliegen aus. Er war, wie sich das voraus sehen ließ, sogleich bereit Dir mit alle seinen Kenntnissen beyzustehen, jedoch meinte er, es sey ohnmöglich Dir sogleich einen vernünftigen Rath zu geben, bevor er nicht noch einige Fragen an Dich gethan, nach deren Beantwortung er sich erst ein treues Bild Deiner körperlichen Zustände entwerfen müßte. Um nun so schnell wie möglich zum Zweck zu kommen, versprach er mir mit Hand und Mund auf der Stelle selbst an Dich zu schreiben; und die nöthigen Erkundigen einzuziehen, so daß Du nun seinen Brief vielleicht früher schon wie diese Zeilen erhalten haben wirst.
Nächsten Montag wird hier, zur Feier von Bauer‘s Geburtstag4 (zufällig aber auch der Jahrtag der Schlacht bey Waterloo) ein großes Fest statt finden, bey dem viele Tausende von Menschen sich versammeln werden; es soll dabey die prachtvolle Statue, die oben auf der schon besprochenen Säule ruth, und die bis jetzt den Blicken der Menschheit durch windische Tücher entzogen blieb, dann mit großer Feierlichkeit enthüllt werden. Das schöne Monument ist nemlich zum Andenken an die hiesigen tapfern Krieger welche bey belle alliance gefochten „Vom dankbaren Vaterland“ wie darauf zu lesen ist – errichtet werden. - Auch wir sind dringend eingeladen, von Nenndorf wieder dazu herüber zu kommen, da eine jedoch dann schon angefangen haben zu baden, so werden wir uns nicht gleich wieder aufs Trockne setzen, um so weniger da auch hier dann, wie in der Regel, sich Salz- und Pfefferbüchse die Hände reichen würden. Ich meine nemlich mein Salzbad, und hier das brittische Hôtel! --
Um 12 Uhr werden wir von hier abreisen, und in Nenndorf auch heute alles in [Beschlag le]gen5, damit wir morgen mit dem Frühsten unsere Funktionen als gewissenhafte Badegäste beginnen können. - Sey auch Du unbesorgt, liebste Ida, unterdessen etwas für Deine Gesundheit zu thun; Tummle Dich recht viel in freier Luft herum; aber bedenke dabey daß man auch ds Guten leicht zu viel thun kann, und hüte Dich vor dem langen Sitzen des Abends im Früchten Garten. -- Im Fall Minchen6 in Cassel bleibt, so darf ich von ihr voraussetzen, daß sie uns zu Liebe, auch alles dazu beytragen wird was in ihren Kräften steht um Deine völlige Genesung zu befördern; besonderen hoffe ich wird sie Dir die Sorge für die Kinder abnehmen. --
Nun liebe Ida, bitte ich Dich schließlich tröstliche Nachrichten über Emilien7 zu geben; Du kannst Dir leicht denken wie ihre Laage mir zu Herzen geht! Leb wohl.

Deine Dorette


Liebe Ida! Wir haben die Absicht Haartuch zum Überziehen des grünen Canapees und 12 Stühlen von hier mitzubringen; müssen aber, da es viererley Breiten dieses Zeugs giebt, genau, die Länge, Tiefe und Breite des Kanapees, der Polster und der Stühle wissen.8 Sey daher so gut und miß alles genau mit Faden, wickle diesen in Papier und schreib die Bedeutung darauf und schick uns dieß baldmöglichst nach Nenndorf.
Herzliche Grüße an Wolff und alle.

Autor(en): Spohr, Dorette
Spohr, Louis
Adressat(en): Wolff, Ida
Erwähnte Personen: Bauer, Johann Heinrich Balthasar
Scheidler, Wilhelmine
Spohr, Carl Heinrich
Spohr, Ernestine
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Hannover
Nenndorf
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1832061500

Spohr



Wolffs Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Waterloo-Säule; bei der später erwähnten Statue handelt es sich um die Viktoria-Figur auf der Säule.

[2] Carl Heinrich Spohr.

[3] Ernestine Spohr.

[4] Vermutlich Geburtstag des Kasseler Arzts Johann Heinrich Balthasar Bauer.

[5] Textverlust durch Ausschnitt der rechten oberen Ecke der Seite.

[6] Dorette Spohrs Schwester Wilhelmine Scheidler, die im Spohrschen Haushalt lebte.

[7] Emilie Zahn, geb. Spohr.

[8] Vgl. Louis Spohr an Bernhard Hausmann, 10.07.1832 und folgende Briefe.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.10.2021).