Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Wohlgeborner Herr
Sehr geehrter Herr Kapellmeister
Gleich nach Empfang Ihres geehrten Schreiben ging ich zum Herrn Holtey um wegen der verlangten Musik zum alten Feldherr Rücksprache zu nehmen. Derselbe ist aber verreißt, und mußte seine Frau erst dieserhalb an ihn schreiben, indem die Partitur vom Königstädter Theater verliehen ist, und das Stück auch von Holtei damals zurück genommen wurde, da es verbothen war. Holtei schreibt nun, daß er die Musik nicht besitze, u daß wenn sie noch vorhanden sei, der Musik Direktor Elsler dieselbe haben müße. Ich habe mit Elsler gesprochen, und kann nun die Partitur in 8 Tagen erhalten. Nun schreibt mit aber Holtei, daß er das Stück ganz umgearbeitet und mit neuen Liedern versehen habe, welches spätestens binnen 3 bis 4 Wochen hinauskommen wird.1 Ich wollte Ihnen nun dies erst melden, ob Sie nicht vielleicht vorziehen, die neue Bearbeitung zu geben. Ich sehe hierüber Ihrer schriftlichen Erklärung baldigst entgegen, und werde dann augenblicklich zur Ausführung Ihres geehrten Auftrags schreiten.
An musikalischen Neuigkeiten sind wir hier arm, indem unsere Oper ein wirkliches Invaliden Spital ist. Mad. Fischer hat hier durchaus nicht gefallen, Es ist aber auch nur eine reine Naturalistin, richtiger gesagt, eine unreine Naturalistin, denn es kommt kein kunstgerechter reiner Ton aus ihrer kehle. Man war hier erst so wahnsinnig, und wollt sie angagiren2, aber der Praxismus3 hat sich gelegt; sie wird in diesen Tagen abreisen. Spontini hat sich mit ihr viele Mühe gegeben, um der Julia in der Vestalin4, aber es hat nichts geholfen. Bader ist sehr krank, Fräulein v Schätzel hat einen neuen sehr vortheilhaften Kontrakt gemacht. Ihr Alchymist wird schnell ausgeschrieben, Spontini hat schon lange den Befehl dazu gegeben, der Graf5 zögerte, warum weiß ich nicht, aber vor einigen Tagen ist auf sein Befehl in Beziehung dieser Oper ergangen, und wir werden sie daher recht bald zur Aufführung bekommen, worauf ich mich recht sehr freue, und Ihnen alles darauf bezug habendes mittheilen werde. Meine herzlichsten Grüße Ihrer geehrten Frau Gemahlin und meinen lieben lieben Freund Hasemann. Ihrer geehrten Zuschrift umgehend entgegen sehend, zeichne ich mit der größten Hochachtung
Ihr
ganz erg. bereitwillig.
Diener Fr. Töpfer.
Berlin den 16 Novbr 31.
Autor(en): | Töpfer, Friedrich |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Bader, Carl Adam Elßler, Josef Fischer-Achten, Caroline Hasemann, Nicolaus Holtei, Carl von Redern, Friedrich Wilhelm von Schaetzel, Pauline von Spontini, Gaspare |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Der Alchymist Spontini, Gaspare : La vestale |
Erwähnte Orte: | Berlin |
Erwähnte Institutionen: | Königliche Schauspiele <Berlin> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1831111644 |
Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Töpfer.
[1] Vgl. Carl von Holtey, „Der alte Feldherr”, in: ders., Beiträge für das Königstädter Theater, Bd. 1, S. 251-306.
[2] Sic!
[3] Hier wohl im Sinne eines etwas krankhaften Aktionismus.
[4] Vgl. „Berlin, den 1. Decbr.“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 33 (1831), Sp. 863-868, hier Sp. 863ff.; X., „Berliner Wochenlese“, in: Flora 11 (1831), S. 540.
[5] Der Intendant Friedrich Wilhelm von Redern.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.03.2023).