Autograf: Universitätsbibliothek Basel (CH-Bu), Sign. NL 57 : A:I:b:24

Sr. Hochwohlgeb.
Dem Herrn Hofkammer-
Rath Reiter
in
Wertheim.
 
 
Cassel den 6ten
Aprill 1831.
 
Hochwohlgeborner
Hochgeehrtester Herr Hofkammerrath,
 
Ihrem Wunsche gemäß berichte ich Ihnen über das Talent und die Fortschritte Ihres Sohnes ganz der Wahrheit gemäß.
Die Natur hat ihm viel Talent für Musik verliehen und ihn besonders mit einem gewissen genialen Schwung des Vortrags begabt, der mich angenehm überrascht hat. Dagegen fehlt es ihm noch an mechanischer Fertigkeit, die eigentlich schon, ehe er zu mir kam, hätte erworben seyn sollen und die wenn sie nicht schon in frühester Jugend, in späterer Zeit nur durch den ausdauernsten Fleiß gewonnen werden kann. In diesem ermahne ich daher beständig, doch ist große Ausdauer in dem blos Mechanischen des Spiel, wenn man schon etwas bey der Musik empfindet, äußerst schwer und so gehen denn die Fortschritte hierin nicht so schnell als ich wünsche. Dagegen trägt er das, was seine mechanische Fertigkeit nicht übersteigt, sehr gut vor;1 auch zieht er einen starken und schönen Ton aus dem instrument. Die Intonation ist bey leichten Sachen ebenfals rein und wenn bey schwierigern in dieser Hinsicht noch manches zu wünschen übrig bleibt; so ist es nicht Fehler des musik. Gehörs sondern Folge2 des Mangels an technischer Fertigkeit und Sicherheit. Wenn er im Eifer nicht erkaltet, seinen Fleiß hingegen noch steigert, so wird gewiß ein ausgezeichneter Geiger aus ihm werden.
Mit vorzüglicher Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn
 
Ew. Hochwohlgeb.
ergebenster
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Reiter, Franz
Erwähnte Personen: Reiter, Ernst
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1831040610

Spohr



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Reiter, 02.06.1830. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Reiter, 10.09.1832.

 
[1] Hier gestrichen: „und“.
 
[2] „Folge“ über der Zeile eingefügt.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.12.2017).