Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,141
Cassel den 31sten
Juli 1830.
Geliebter Freund,
Für Ihren lieben Brief, den ich am Tage unserer Rückkehr erhielt, herzlichen Dank! Längst hätte ich ihn beantwortet, hätte ich nicht zugleich über die Oper1 berichten wollen. Diese ist denn mit dem für Cassel möglichst größten Erfolg vom Stapel gelaufen. Da der Kurfürst abwesend war, so durfte sich der Beyfall aussprechen und der war auch so lebendig, wie wir ihn hier gar nicht gewohnt sind. Die Aufführung war für eine erste sehr gelungen zu nennen2 und übermorgen, wo die erste Wiederholung stattfindet, soll sie, hoffe ich, untadelhaft seyn. So viel mir bis jezt die Meinung des Publikums zu Ohren gekommen ist, hat diesmal niemand etwas auszusetzen, weder am Buch noch an der Musick, sondern die Oper wird als die beste von den meinigen anerkannt. Daß mich dies unendlich freuet, können Sie denken. Dazu gesellt sich die Aussicht, sie recht bald in Berlin auf das Theater kommen zu sehen, wodurch ihr dann der Weg auf alle andern Theater gebahnt seyn würde. Mit der Schätzel war nämlich ein Kammermusikus Töpfer hier, der sich außerordentlich über die Musick in den letzten vollständigen Proben vor den Ferien zu freuen schien. Dieser schrieb mir vor 8 Tagen und verlangte im Namen des Grafen Redern das Buch der Oper zur Ansicht.3 – Spontini ist nicht dort; der Graf will gern während seiner Abwesenheit eine bedeutende Oper in Scene setzen; er ist sehr, wie ich das von andern weiß, für meine Musick eingenommen; so hoffe ich, wird die meinige gewählt und ich eingeladen werden, sie zu dirigiren.
Ich habe das Buch vollständig drucken lassen, um es den Direktionen zur Ansicht schicken zu können. Nach Darmstadt, da ich Küstner auf eine Anfrage zu antworten hatte4, ist es bereits gesandt; dem Guhr biete ich aber niemals eine Oper wieder an. Können Sie nun dafür thun, daß er’s zu lesen bekommen und daß die Oper auch bald in Frankfurt gegeben werde, so bitte ich darum.
Es ist nun endlich definitiv entschieden, daß Wild am 1sten September abgeht.5 Da er selbst sagt, daß er nicht nach Wien geht, so gewinnt das Gerücht Glauben, er sey unter den frühern Verhältnissen auf Lebenszeit nach Darmstadt engagirt.6 Ich habe nun mit 3 Tenoristen (Rauscher, Vetter und Rosner) die Unterhandlungen wieder angeknüpft.
Vor 8 Tagen erhielt ich eine Einladung , ein großes Musikfest, welches in den ersten Tagen des Oktober in Potsdam stattfinden soll und welches der König zu besuchen versprochen hat, zu dirigiren. Unter der Bedingung, daß ein würdiger Verein von Sängern und Instrumentalisten zusammengebracht werde und in der Voraussetzung, daß der Urlaub mir nicht verweigert werde, habe ich zugesagt. Am 1sten Tage soll in der Kirche ein Loblied auf den König, eine Hymne v. Gottfr[ied] Weber und mein Oratorium7; am 2ten der vollständige Messias gegeben werden. Am 3ten Tage im Schauspielhause Concertmusik.
Die herzlichsten Grüße an Frau und Kinder. Erfreuen Sie bald mit einem Briefe
Ihren
Louis Spohr.
Autor(en): | Spohr, Louis |
Adressat(en): | Speyer, Wilhelm |
Erwähnte Personen: | Guhr, Carl Küstner, Karl Theodor von Rauscher, Jacob Redern, Friedrich Wilhelm von Rosner, Franz Schaetzel, Pauline von Spontini, Gaspare Töpfer, Friedrich Vetter, Franz Xaver Wild, Franz Wilhelm II. Hessen-Kassel, Kurfürst |
Erwähnte Kompositionen: | Händel, Georg Friedrich : Messiah Spohr, Louis : Der Alchymist Spohr, Louis : Die letzten Dinge Weber, Gottfried : Hymnen |
Erwähnte Orte: | Berlin Darmstadt Frankfurt am Main Kassel Potsdam Wien |
Erwähnte Institutionen: | Hoftheater <Darmstadt> Hoftheater <Kassel> Königliche Schauspiele <Berlin> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1830073102 |
Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 15.11.1830.
[1] Der Alchymist.
[2] Vgl. „Aus Kassel vom 3. August 1830 (Eingesandt)”, in: Berliner allgemeine musikalische Zeitung 7 (1830), S. 270ff., 278f. und 286ff., zur Aufführung hier S. 288; „Kassel, 29. Juli”, in: Allgemeine Preußische Staats-Zeitung (1830), S. 1634f.; „Theatralisches”, in: Figaro. Zugabe zur Flora 1 (1830), S. 28; „Cassel”, in: Harmonicon (1830), S. 437.
[3] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
[4] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
[5] Vgl. Franz Wild, „Autobiographie”, in: Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik 6 (1860), S. 19f., 53-56, 68-71, 83-86, 100-106 und 123f., hier S. 100.
[6] Zumindest trat Wild am 19.09.1830 in Darmstadt auf (vgl. „Hotheater zu Darmstadt”, in: Didaskalia 19.09.1830, nicht paginiert).
[7] Die letzten Dinge.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.03.2016).