Louis Spohr an Ida Wolff in Kassel

Schleitz den 10^ten
Juni 30.

Liebe Ida,

Bis hieher wären wir glücklich gekommen, obgleich wir gestern Abend kaum hofften, mit ganzen Gliedern auf die Station zu kommen. Von Cahla bis Neustadt ist nämlich keine Schausée und der Weg war durch einen Wolkenbruch so zerrissen, daß er eigentlich gar nicht zu fahren war; allein wir fuhren ihn doch, kamen aber weit um 11 Uhr Nachts nach Neustadt, wo zwar¹ noch alles wach und lebendig war, wo uns aber niemand aufnehmen wollte, weil alle Wirts- und Privat-Häuser voll Jahrmarktsbesuch steckte. Endlich fand sich noch eine mitleidige Seele für schweres Geld und nun sind wir hier – nun – zu frühstücken. Dorette, die keinen Augenblick aufgehört hat, an Dich zu denken, selbst bey der Gefahr gestern Abend nicht, verlangt aber, bevor ich Messer und Gabel ergreife, daß ich Dir und unsern Angehörigen erst² melde, daß wir nicht in Eger bleiben, sondern nach Marienbad gehen. Sie sprach so oft von ihrer Angst vor dem Eisenwasser in Eger, daß ich in Jena noch einmal einen dortigen Arzt, den Hofrath Starck um Rath frage, welches Bad ihr am zuträglichsten Seyn würde; dieser meint das sicherste sey mit Marienbad anzufangen; Egerwasser würde Sie vielleicht in den lezten 4 Tagen dann trinken können.
Bitte daher Wolff, seinen Brief, dem wir mit Sehnsucht entgegensehen, nach Marienbad zu adressiren und macht es doch Bauer, Ferdinand und Zahn’s bekannt, wo wir sind. – In Eisenach haben wir die Wartburg bestiegen, in Gotha bey der Hildt unermesslich viel Kuchen gegessen und in Jena bey Carl mit seinem Haus Kaffee getrunken; das ist nebst dem vorstehenden das merkwürdigste unserer bisherigen Reise. – Nun kommt aber das Frühstück – vollende die Periode, ich bin zu hungrig!
Lebt alle wohl. Die herzlichsten Grüße von Dorette und Therese.
Dein Dich herzlich liebender

Vater
Louis Spohr