Autograf: Universitätsbibliothek Basel (CH-Bu), Sign. NL 57 : A:I:b:23

Sr. Wohlgeb.
Dem Herrn Hofkammerrath
Reiter
in
Wertheim.


Cassel den 2ten
Juni 1830.

Wohlgeborner,
Hochgeehrter Herr Hofkammerrath,

Ihrem Wunsche, Ihnen über die Fähigkeiten Ihres Sohnes für Musik zu berichten, konnte ich bisher1 nicht nachkommen, weil ich selbst noch immer darüber im Zweifel war. Ich fand nämlich bey ihm eine völlige Vernachlässigung der ersten Elemente der Kunst, besonders aber der Intonation, was mich anfangs fürchten ließ, er besitze gar kein musikalisches Gehör. Nun ist zwar auch jezt seine Intonation noch nicht rein geworden, auch ist das rhythmische Gefühl noch nicht gehörig geweckt; doch ist ein Fortschreiten in Beyden sichtbar. Da er nun auch vom Anfang an Gefühl für guten Vortrag und das Talent einen guten Ton aus dem Instrumente zu ziehen, zeigte, so glaube ich jetzt für seinen Beruf zu Kunst bürgen zu können; doch bedarf es von seiner Seite seines sehr ausdauernden Fleißes, wenn alles früher Versäumte noch nachgeholt werden soll.
Ich bin jezt genöthigt Cassel auf 4 Wochen zu verlassen, weil ich meine Frau zu einer Badekur in Eger begleiten muß. Gleich nach meiner Rückkunft wird aber der Unterricht meiner Schüler wieder beginnen und dann ohne Unterbrechung bis zu den nächstjährigen Ferien fortdauern.
Im Spätherbst werde ich Ihnen wieder über die Fortschritte Ihres Sohns berichten.
Mit vorzüglicher Hochacht[ung] habe ich die Ehre zu seyn

Ew. Wohlgeb.
ergebenster
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Reiter, Franz
Erwähnte Personen: Reiter, Ernst
Spohr, Dorette
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Eger
Kassel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1830060210

Spohr



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Reiter, 06.04.1831.

[1] Am 04.04.1830 meldete Ernst Reiter seinem Vater die Ankunft in Kassel (vgl. Ernst Reiter an Franz Reiter, Universitätsbibliothek Basel (CH-Bu), Sign. NL 57 : A:I:a:1).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.12.2017).