Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,139

Sr. Wohlgeb
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 16ten
Aprill 30.

Geliebter Freund,

Kaum ist meine 4 seitenlange Epistel abgeschickt und schon wieder eine mit neuen Bitten und Aufträgen! Doch statt langer Vorrede lieber gleich zum Text!
Unsere prima donna, Madame Roller-Schweitzer hat in ihrem Wochenbett sehr an Stimme verloren und detonirt jezt unausstehlich. Neulich im Don Juan wurde es so arg, daß sie förmlich ausgezischt wurde. In ihrer ersten Wuth schrieb sie an den Kurfürst und verlangte den Abschied. Ganz wieder ihr Erwarten erhielt sie ihn ohne weiteres und wir erhielten den Auftrag uns nun eine andere prima donna umzusehen. Nun geht bey Hofe das Gerücht: die Heinefetter bereue ihr Davonlaufen und wünsche gern wieder zurückzukehren. – Ein Hauptgrund Ihrer Unzufriedenheit (oder eigentlich nur der einzige ) war, daß die Schweitzer im Besitz aller ersten, bedeutenden Parthien war; dieser wäre nun gehoben und sie würde in der Hinsicht völlig zufriedengestellt werden können. Wie ich höre ist ihre Schwester mit dem Doctor Klees nun verheirathet und ihre übrigen Geschwister sind auch wieder in Frankfurt. (Ob auch die Mutter dort ist, weiß ich nicht!) Nun ist meine Bitte, daß Sie bey den ebengenannten oder vieleicht auch bey Frau von Willemer (ohne etwas zu nennen) doch Erkundigung einziehen mögten, ob an den Gerüchten wohl etwas wahres sey und wenn Sie hören, daß sie gestimmt ist nach Cassel zurückzukehren, so lassen Sie ihr durch die Familie oder Fr. v. Willemer den Rath geben, sich an mich zu wenden mit der Versicherung, daß ich alles ausgleichen würde. - Außer dem Wiedergewinn einer guten Sängerin, läge uns auch in anderer Hinsicht sehr daran, daß sie nach Cassel zurückkehre.
Mit Verwunderung höre ich, daß Paganini noch immer in Frankfurt ist. S[ollte] er denn jezt nicht Lust haben hieher zu kommen? Er würde wenn er [kä]me noch eben so brillante Geschäfte machen wie im Winter. Mögten Sie ihn nicht einmal fragen? ich will gern alles im Voraus arrangiren.
Über die Anliegen dieses, so wie des vorigen Briefs sehe ich nun einer recht baldigen Antwort entgegen. Nochmals bitte ich um Verzeihung, daß ich Sie bey Ihren vielen Geschäften so plage. Die Sache ist nun aber zu wichtig. - Herzliche Grüße an die lieben Ihrigen. L. Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Heinefetter, Eva
Heinefetter, Sabine
Klees, Johann Georg
Paganini, Niccolò
Roller-Schweizer, Louise
Willemer, Marianne von
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1830041602

Spohr



Dieser Brief schließt direkt an Spohr an Speyer, 13.04.1830 an. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 05.07.1830.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.03.2016).