Autograf: Stadtmuseum Dresden, Museen der Stadt Dresden, Schriftgutsammlung, Sign. SMD_SD_2021_00184
Digitale Edition: Museen der Stadt Dresden – Sammlungen Online

Cassel den 9ᵗᵉⁿ
März 30.

Geehrtester Freund,

Paganini ist nicht hier und wird auch von der Hand nicht kommen. Bey seiner Durchreise durch Cassel im Herbst versprach er mir, nach 4 Wochen zurückzukehren und beauftragte mich, sein Concert vorläufig anzukündigen.1 Da ich erfuhr, daß er von Frankfurt statt hieher, nach Leipzig gehen werde, so ließ ich ihn durch Speyer fragen, warum er nicht Worthalten wolle.2 Darauf gab er diesem Handschlag und Ehrenwort von Leipzig direkt nach Cassel kommen zu wollen.3 Stattdessen reiste er aber, wie bekannt nach Süddeutschland und dann am Rhein hinunter bis Cölln, kehrte nach Frankfurt zurück und schrieb mir von dort vor 5-6 Wochen einen langen Entschuldigungsbrief:
„Er müsse nun direkt nach Paris und von dort nach London um in beyden Städten die günstige Zeit zu Concerten nicht zu versäumen, werde aber von London über Hamburg und Hannover zu uns kommen“4
Nun ist er aber bis vor ein paar Tagen in Frankfurt geblieben und hat sogar einen Abstecher nach Würzburg gemacht, so daß ich recht böse auf ihn bin, daß er uns so recht absichtlich aus dem Wege geht. Indessen lebt er nur lange genug, so werden wir ihn doch noch hier in der Gegend hören, denn das reiche Hamburg wird schon auch nach London noch Anziehkraft genug haben!
Wir haben hier aber einen andern hohen Kunstgenuß gehabt. Die Sontag hat 2 Concerte im Theater gegeben.5 Ich halte sie für die vollendetste Sängerin, nicht blos die jezt lebt, sondern vielleicht die je gelebt hat. Eine gleiche, zwar nicht sehr starke, aber schöne, volle, weiche Stimme von die größeste Vollendung im Technischen, Triller etwa ausgenommen, den die […]6 besser machte) der gebildetste Geschmack, aber mehr als dieß alles, ein tiefes Gefühl erheben sie über alles, was ich bis jezt vom Gesang hörte. Die Arie der Donna Anna7 sang sie, daß wir alle bis zu Thränen gerührt waren. Ich mag unsere Sänger nicht recht hören, selbst Wild nicht! –
Herzliche Grüße von den Meinigen.
Mit herzlicher Freundschaft stets

der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Hausmann, Bernhard
Erwähnte Personen: Paganini, Niccolò
Sontag, Nina
Speyer, Wilhelm
Erwähnte Kompositionen: Mozart, Wolfgang Amadeus : Don Giovanni
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Hamburg
Hannover
Kassel
Köln
Leipzig
London
Paris
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1830030917

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Hausmann an Spohr. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Hausmann, 08.05.1830.

[1] Vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 06.09.1829.

[2] Vgl. Spohr an Speyer, 20.09.1829.

[3] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[4] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[5] Vgl. Spohr an Speyer, 18.03.1830.

[6] Textverlust durch Siegelausriss.

[7]  Arie aus Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (06.10.2021).