Autograf: Stadtbibliothek Hannover (D-HVs), Sign. Handschriftenarchiv
Druck: Autographen aus verschiedenem Besitz. Auktion am 29. und 30. November 1966 (= Katalog Stargardt 577), Marburg 1966, S. 162 (teilweise)
Inhaltsangabe: Von der Lucretia zum Vampyr. Neue Quellen zu Marschner. Dokumente zur Entstehung und Rezeption der Lucretia. Vollständige Edition des Reise-Tagebuchs von 1826 bis 1828. Anmerkungen zu Marschenrs journalistischem Wirken, hrsg. v. Till Gerrit Waidelich, Tutzing 1996, S. 135, Anm. 209

Leipzig am 5ten Januar 1830.
 
Hochgeehrtester Herr Capellmeister!
 
Indem ich mir die Freiheit nehme Ihnen zu melden, daß am 22ten Decbr. 29 zum 1t, u am 2t Januar 30 meine neue Oper Der Templer und die Jüdin, mit allgemeinem Beifall aufgeführt worden ist1, hege ich zugleich die Hoffnung mit meinem Antrage glücklicher zu seyn als mit dem Vampyr, und daß sie unter Ihrer vortrefflichen Leitung gewiß auch in Cassel nicht spurlos vorüber gehen wird. Ich werde stolz darauf sein, mich von Ihnen mit einem Auftrag deshalb beehrt zu sein. Um nun auch bald mit der merkantilistischen zu Ende zu sein, so nenne ich Ihnen den Preis (30 frd'or) auch nur schnell.
Jetzt noch zu etwas andrem. Am 12 Decbr. wurde zum Besten des Mathias und der Katharina Podhorsky zum 1t male mein Vampyr gegeben. Das kann sie nun freilich nicht sehr interessieren, vielleicht aber thut das eine dem Tageszettel beigefügte Notiz um so mehr. Sie heißt: „Die mit Einwilligung des Churfürstl. Hessischen Hofkapellmeisters Herrn Louis Spohr eingelegten zwei Gesangstücke aus seiner Oper: Jessonda, wurden von Mad. Podhorsky und Herrn Binder im 2t Akte vorgetragen.2
So höchste ehrenvoll u. schmeichelhaft mir diese Vermischung mit Ihnen, werther Herr Kapellmeister ist, so wünschte ich doch gern zu erfahren, ob diese Bewilligung oder Erlaubniß von Ihnen wirklich eingeholt worden ist. Ist sie es nicht, wie ich fast fürchte, so glaube ich es unser Pflicht gegen diese Anmaßung eines solchen Comödianten wie Herr Binder (denn von ihm geht sie aus, wie ich gewiß weiß) rügend aufzutreten. Ihre geehrte, hoffentlich baldige Erwiederung wird wohl Licht in die Sache bringen.
Mit der Versicherung meiner höchsten Achtung, habe ich die Ehre zu zeichnen
 
Ew. Wohlgeboren
Ergebenster
Heinr. Marschner.

Autor(en): Marschner, Heinrich
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Binder, Sebastian
Podhorsky, Katharina
Podhorsky, Mathias
Erwähnte Kompositionen: Marschner, Heinrich : Der Templer und die Jüdin
Marschner, Heinrich : Der Vampyr
Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Leipzig
Erwähnte Institutionen: Stadttheater <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1830010545

Spohr



Spohr beantwortete diesen Brief am 10.01.1830.
 
[1] Vgl. „Leipzig”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 32 (1830), Sp. 12f.
 
[2] [Ergänzung 18.11.2022]: Der Theaterzettel ist derzeit nicht nachweisbar, Marschners Zitat entspricht aber einer Ankündigung der Aufführung: „Diese zweiaktige romantische Oper, welche nächsten Samstag den 12. Dezember zur Aufführung kommt, ist […] von dem ehemaligen königl. sächsischen Musikdirektor Herrn Marschner in Musik gesetzt worden. Sein geistreiches Werk, dem diesmal noch mit ausführlicher Bewilligung Spohr ’s, die besten zwei Nummern aus Jessonda angelegt wurden (gesungen von Mad. Podhorsky und Herrn Binder) fand nicht allein in Norddeutschland, sondern auch in England eine so günstige Aufnahme, daß Hr. Marschner den Auftrag erhielt, eine Oper für London zu schreiben“ („Die Oper Vampyr, zum Besten des Hrn. und der Mad. Podhorsky“, in: Unterhaltungsblätter 08.12.1829, nicht paginiert). Ein Kritiker dieser Aufführung zieht Spohrs Einlagearien der Partitur Marschners entschieden vor („Prag”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 32 (1830), Sp. 130-144, hier Sp. 139).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (14.10.2016).