Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

An
Herrn
Kapellmeister Spohr
in
Cassel


Mein Verehrtester Freund. Faubel reißet heute ab, um Ihnem Rufe1 zu folgen. Seit Sie mir diesen Schüler zuführten bemüthe ich mich, denselben die Vortheile der Stimmbildung so gut ich konnte an die Hand zu geben. Fast in den letzten Tagen konnte ich einige Veränderung in seinem Tone vernehmen, was mich glauben macht, daß binnen Jahresfrist die Stimme sich bedeutend wird gebessert. Die großte Schwierigkeit findet F. in der Höhe – seine Stimmlage ist wohl eine Terz tiefer als Doblers – wo den der Ton zu sehr nach dem Kopfe gedrückt wenig Klang hat. Auch verhindert die Spannung des Aussprechen besonders den Consonanten m u n: was in der Tiefe gut ist. Zum Lobe F. kan ich Ihnen berichten, daß er recht fleißig und eifrig seinem künftigen Beruf entgegen tritt, und ich hoffe mit Zuversicht daß er sein Glück machen wird, wenn Sie ihm Ihre Hülfe nicht entziehen. Meine2 Schülerin Julie Lampmann ist von Seite der hiesigen Theater-Direction eine Anstellung angeboten worden.3 Sie nimmt Unterricht bei Mlle Lindner im Sprechen und Agiren. Und soll nun bald – zuerst als 1. Dame in der Zauberflöte u dann als Röschen im Faust auftreten. Hat sie in der Darstellung nur einige Fortschritte gemacht. so muß sie mit Ihrer vortrefflichen Stimme Glück machen, u die Theater-Direction wird nicht säumen, sie hier zu fesseln. Ich berichtet Ihnen dieses, damit, wen Sie gesonnen wären diese Stimme für Ihr Theater gewinnen wollten, die ganze Sache noch rückgängig gemacht werden könnte. Biethen Sie ihr ein Engagement und zwar so daß diese im kommenden May bey Ihnen einträte, so könnte sie bis dahin ein halbes Duzend Rollen einstudiren, mehrere davon hier singen, ohne daß sie etwas dafür verlangte und so käme sie denn vorbereitet zu Ihnen. Freylich müßte Sie die Güte haben ihr bis dahin ein par hundert Thaler Mautgeld zukommen zu laßen den ohne dieses ist sie gezwungen das hiesige Anerbiethen anzunehmen. Ich bitte Sie, antworten Sie recht bald. Die Zauberflöte ist auf den 3ten Feyertag angesetzt.
Nun noch von dem Tenorist Roth(???). Seine Stimme gewinnt täglich an Umfang und Fülle. Gestern sang er dies Bildniß ich hörte ihn in der Probe. Die Stimme klang vortrefflich, auch sang er rein, er gefiel den Anwesenden Orchester Mitglieder sehr alle fanden die Stimme in der Höhe ähnlich der Mildes. Wolln Sie auf ihn Aussicht nehmen, so gälte in Beziehung auf eine Anstellung dasselbe, wie bey D. Lampman auch hierüber bitte ich um Ihre Entschließung.
Im Verein sind wir fleißig mit Ihrem Werke beschäftigt. Die Chore werden vortrefflich klingenm da ich jetzt ein Chor von 170 Personen beysammen habe. Nun noch eine Bitte. Ich habe Faubel, weil es ihm an Geld zur Abreise gebrach 35 fn 12. vorgetreckt, derselbe will es mir bey seiner Ankunft wieder schicken. Haben Sie die Güte die Sume mit Ihrem Briefe an mich zu übermachen, und verzeiehen Sie mir wen ich Ihnen Mühe mache.
Es grüßt Sie und Ihre Lieben herzlich Ihr

Freund Schelble

den 10t Decemb

Bald hätte ich vergessen Ihnen zu sagen daß Madame Köhler4, die alte Sängerin die Sie kennen bey mir war, und mich batt, Sie Ihnen als G[esan]glehrerin und als Sängerin für Mütterrollen zu empfehl[en] ich erklärte ihr, daß ich dieß gern thun wollte, wen sie sich einer genauen Prüfung wollte, dieß geschah gestern und ich kan nicht anders als gutes von dieser Frau sagen. Sie hat eine wahrhaft gute Schule. Das Ansetzen des Tons ist noch jetzt so weit ihr Stimmunfang geht musterhaft so wie die Verbindung der Tonen auch die Aussprache ist schulgerecht5. Gewiß könnte diese Frau für Beschulung junger Mädchen nützlich gebraucht werden. Man hätte sie an hiesigem Theater recht gut brauchen können, man hat aber statt ihrer Mad. Kornega gewählt, an deren Gesang sich außer einer großen Kehlenfertigkeit nur ein Theil der Singschule nichts von Schule hörbar ist. Diese Frau Köhler soll nach dem Zeugniß mehrere achtbare Menschen ein vortreffliche Mutter für ihre Kinder sein.



Der letzte erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Schelble, 04.03.1827.

[1] Gastauftritt als Sarastro in Die Zauberflöte am Hoftheater in Kassel (vgl. „Chronik der Oper des Hoftheaters und der Concerte zu Cassel 1830“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 32 (1830), Sp. 187-195, hier Sp. 187 und 192).

[2] Hier ein Wort gestrichen.

[3] Vgl. „Frankfurter Volksbühne“, in: Didaskalia 14.02.1830, nicht paginiert.

[4] Offensichtlich Magdalena Köhl (vgl. Köhl an Spohr, 09.05.1829).

[5] Hier zwei Buchstaben gestrichen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.12.2022).