Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,136
Cassel den 29sten
November 1829.
Geliebter Freund,
Diesmal komme ich mit einer großen Bitte, durch deren Erfüllung Sie mir eine sehr unangenehme Reise ersparen können. Hören Sie als Einleitung erst folgendes: Am 18ten October war ich, wie Sie wissen in Darmstadt und hörte aus Vetters eigenem Munde, daß er jede Idee, von Darmstadt weg zugehen, aufgegeben habe. Kaum zu Haus angelangt, erhielt ich beyliegenden Brief von ihm.1 (Lesen Sie ihn gefälligst bevor Sie hier weiter lesen.) Meine Antwort hat meine Frau kopirt;2 ich kann sie daher auch zu Ihrer Einsicht beylegen. Auf diesen Brief warte ich nun bis jezt vergebens auf Antwort und muß daher glauben, daß irgend etwas geschehen sey, was ihn von neuem umgestimmt hat. Am 18ten dieses habe ich ihm abermals geschrieben3 und ihn dringend gebeten, mir umgehend Antwort zu geben; aber auch auf diesen Brief noch keine Antwort erhalten. Der Kurfürst, dem viel an Vetter liegt, legt es mir nun nahe, ohne es indessen gradezu zu befehlen, daß ich nochmals nach Darmstadt reisen soll, um die Sache zu beendigen. Aus mehreren Gründen wäre mir aber die Reise sehr fatal! 1.) vergäbe ich mir zuviel, wenn ich, nachdem Vetter die Unart gehabt hat, mir auf 2 Briefe nicht zu antworten, nochmals selbst käme. 2.) erregt es in Darmstadt ein, mir unangenehmes Aufsehn und 3.) reiße ich mich jezt sehr ungern von meiner Arbeit (der Oper4) in die ich sehr vertieft bin, los. Von allem diesem Unangenehmen könnten Sie mir helfen, wenn Sie es übernähmen mit Vetter zu sprechen und mir möglichst Nachricht gäben, ob er hier engagirt seyn will oder nicht. Der Kurfürst würde gewiß seine Bedingungen, wenn sie nicht gar zu überspannt sind, genehmigen. - Nun fühle ich sehr wohl, was ich Ihnen da zumuthe,um so mehr, da Sie jezt selbst sehr beschäftigt sind; ich weiß aber auch, daß Sie mir ein wahrer Freund sind und so habe ich meine Bitte ganz unumwunden ausgesprochen. Ich sehe nun einer recht baldigen Antwort, so wie der gefälligen Rücksendung der Einlagen entgegen. Daß ich übrigens nur, da es sich um ein Kurfürstl. Geschäft handelt, Ihre Zeit und Güte in Anspruch nehme, die Kosten einer Reise nach Darmstadt aber mir zu notiren bitte, versteht sich von selbst.
An Dem. Traut5 von Mainz haben wir eine vielversprechende junge Sängerin gewonnen, die uns bald die Heinefetter ersetzen wird. Sie ist als Emeline6 zuerst mit dem allgemeinsten Beyfall aufgetreten. Es ist mir leid, daß sie, um zu uns zu kommen, ihren Contrakt in Mainz hat brechen müssen; doch werde ich ganz fälschlich in der Didaskalia beschuldigt, sie dazu beredet zu haben.7 Die Streitigkeit ihrer dortigen Lehrerin8 mit einem Rezensenten9 und die Weigerung derselben, der Dem. Traut ferner Unterricht zu geben, was lezterer doch contraktlich zugesichert war, gaben die Veranlassung zu ihrem Weggange von Mainz. Daß sich der Vater nun zuerst an mich wandte, der ich kürzlich dort gewesen war, war natürlich. – Herzliche Grüße von allen den Meinigen. Mit wahrer Freundschaft stets
der Ihrige
L. Spohr.
Nachschrift. Können Sie mir nicht einige Auskunft geben über das Talent der jüngsten Bamberger? Könnte sie wohl als Soubrette die Roland ersetzen? und wo ist sie jetzt?
Autor(en): | Spohr, Louis |
Adressat(en): | Speyer, Wilhelm |
Erwähnte Personen: | Bamberger, Eva Garczynska, Wilhelmine von Heinefetter, Sabine Pirscher, Agnes Roland, Sophie Spohr, Dorette Vetter, Franz Xaver Wilhelm II. Hessen-Kassel, Kurfürst |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Der Alchymist Weigl, Joseph : Die Schweizerfamilie |
Erwähnte Orte: | Darmstadt Kassel Mainz |
Erwähnte Institutionen: | Hoftheater <Darmstadt> Hoftheater <Kassel> Nationaltheater <Mainz> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1829112902 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 21.10.1829. Speyers Antwortbrief ist derzeit verschollen.
[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
[2] Vgl. Spohr an Franz Xaver Vetter, 02.11.1829.
[3] Dieser Brief ist derzeit verschollen.
[4] Der Alchymist.
[5] Agnes Traut, später verh. Pirscher.
[6] Rolle in Die Schweizerfamilie von Joseph Weigl.
[7] Vgl. „.. d. 4ten November 1829”, in: Didaskalia 08.11.1829, nicht paginiert.
[8] Wilhelmine von Garczynska.
[9] Vgl. „Mainzer Theater”, in: ebd. 06.11.1829, nicht paginiert.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.03.2016).