Autograf: nicht ermittelt
Abschrift: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,135 (Handschrift vermutlich Dorette Spohr)

Cassel, d 2t Nov. 1829.
 
Wohlgeborner,
Hochgeehrtester Herr,
 
Ihre geehrte Zuschrift hat mich auf das angenehmste überrascht, indem sie mir von neuem die erfreuliche Aussicht eröffnet, Sie unserer Bühne gewonnen zu sehn.
Nach genommener Rücksprache mit der Generaldirektion unseres Hoftheaters bin ich beauftragt, Ihnen auf Ihre gefälligen Anfragen folgendes zu erwidern:
Nach den unangenehmen Erfahrungen die der Kurfürst mit mehreren auf Lebenszeit angestellten Mitgliedern unseres Hoftheaters gemacht hat, ist fast keine Aussicht, schon jetzt wieder seine Zustimmung zu einem Engagement für sie und Ihre Frau Gemahlin auf Lebenszeit zu erhalten. Doch darf man wohl voraus setzen, daß er sich, wenn Sie erst einige Jahre hier gewesen sind, dazu geneigt zeigen werde, da er die Künstler, die sich seines Beifalls zu erfreuen haben, gern für immer zu gewinnen sucht.
Es könnte daher für jetzt nur von einem Engagement von 3- bis 5 Jahren die Rede seyn, und ich ersuche Sie, da die Verhältniße unserer Generaldirektion nicht gut eine Offerte erlauben uns recht bald die Bedingungen eines Engagements für Sie und Ihre Fr. Gemahlin1 zu stellen, und bemerke in Betreff der letzteren, daß sie hier einen Wirkungskreis in Wallenstein die Mutter, in der Braut von Messina, Elisabeth in Maria Stuart und im Essex, Antonie in Belisar, Medea u.s.w. finden würde.
Auch würde es sich arrangiren lassen, daß Sie und Ihre Fr. Gemahlin bereits mit dem 1sten bezahlt eintreten könnten, denn obgleich Wild noch bis zum September Contrakt hat, so würde er doch vielleicht schon gern Ostern abgehen.
Jedenfalls erbietet sich die Direktion, diese Sache Ihren Wünschen gemäß zu arrangiren, auch wenn es so ein Opfer kosten sollte.
Dagegen wünscht die Direktion nun einen bald möglichsten Abschluß und fragt daher an, ob Sie und Ihre Fr. Gemahlin nicht jetzt gleich bey den, dort durch den Trauerfall2 gebotenen Ferien, zu einigen Gastrollen herüber kommen können?
Sie würden dann Cassel und seine Verhältnisse kennen lernen, und die Unterzeichnung des Contrakts könnte hier statt finden. Sollten Sie aber durchaus vor Ostern nicht kommen können, so würden unsere Verhältnisse erheischen, daß wir Sie sogleich um definitiven Abschluß der Unterhandlungen bäten, obgleich Sie alsdann weder hier aufgetreten wären, noch die hiesigen Verhältniße durch eigenes Anschauen hatten kennen lernen.
Schlüßlich bemerke ich noch daß unser Theater jeden Sommer 6 Wochen geschlossen wird, in welcher Zeit das sämtliche Personale beurlaubt ist. Über diese Zeit hinaus gestattet der Kurfürst, der Besetzung wegen, durchaus keinen Urlaub.
Indem ich nun Ihrer gefälligen Antwort, so wie einer recht baldigen Einfindung Ihrer Engagements-Bedingungen entgegen sehe, unterzeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung
 
Ew. Wohlg ergebenster
L. Sp.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Vetter, Franz Xaver
Erwähnte Personen: Louise Karoline Henriette Hessen-Darmstadt, Großherzogin
Miedke-Aschenbrenner, Wilhelmine
Wild, Franz
Wilhelm II. Hessen-Kassel, Kurfürst
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1829110213

Spohr



Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Vetter, 18.11.1829.
Die Identifizierung des Adressaten ergibt sich aus Spohr an Wilhelm Speyer, 29.11.1829.
 
[1] Wilhelmine Miedke-Aschenbrenner.
 
[2] Nach dem Tod der Großherzogin Louis Karoline Henriette am 24.10.1829 wurde eine Staatstrauer bis April 1830 verhängt (vgl. „Aus Darmstadt”, in: Damen-Zeitung. Ein Morgenblatt für die elegante Welt 2 (1830), S. 16). 
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.03.2016).