Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,131
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 104 (teilweise)

Cassel den 20sten
September 29

Geliebter Freund,

Nach Ihrem interressanten Berichte über Paganini’s Spiel kann ich meine Ungeduld, ihn zu hören, kaum noch bezähmen! Nun bin ich auch durch einen Brief von Ries an Georg Schmidt1 aus Münster, (der jezt hier ist,) sehr beunruhigt worden, indem nach diesem Briefe es sehr zweifelhaft ist, ob Paganini hieher kommen wird. Ries schreibt von vielen andern Projekten, die er habe, auch dem, zur Leipziger Messe zu reisen. Paganini hat indessen doch auch zu bestimmt versichert, hieher zurückkehren zu wollen; auch habe ich bereits seinem Wunsche gemäß annoncirt, daß wir ihn hier hören werden, bin auch der Überzeugung, daß er sehr brillante Geschäfte machen wird. Ich mögte daher aus seinem eigenen Munde wissen, ob er hieher kommen wird oder nicht und bitte Sie daher dringend, ihn in meinem Namen zu fragen und ihm alles Obige mitzutheilen. Sollte er es aufgegeben haben hieher zu kommen, so muß ich ihm, so unangenehm es mir auch wäre, und so wenig, wie ich jezt auch abkommen kann, nachreisen, wohin es auch sey. - Morgen giebt er wieder in Frankfurt Concert und, wie Ries schreibt, veranstaltet man noch ein’s. Sollte dies seyn, so bitte ich, mich zeitig davon in Kenntnis zu setzen weil ich nach Frankfurt doch noch ehr könnte als anderwärts. - Sein Geschäftsführer versprach mir auf das bestimmteste, 8 Tage vor seiner Überkunft zu schreiben und den Tag des Concerts, Preise der Plätze u.s.w. im Voraus zu bestimmen. Ganz Cassel sieht mit Ungeduld dieser Nachricht entgegen!
Für gütige Besorgung meines Auftrags danke herzlichst. - Die armen Ries’s dauern uns sehr! -
Ein neues Soloquartett in Es dur habe ich vor ein paar Tagen zum 1sten mal zur Wiedereröffnung unserer Quartettparthien gespielt.
Schelble bitte ich zu sagen, daß ich [die] Partitur vom Vater unser gern s[o bald] wie möglich zurückerhalten mögte u[nd] daß er daher die Abschrift für seinen Verein beeilen möge. Auch bedürfe ich nun die Abschrift der Bach’schen Passion für unsern Verein nicht, da wir auf die Partitur bey Schlesinger subscribirt hätten.2 Sollte sie indessen schon gemacht seyn, so möge er sie mir gefälligst mitschicken.
Entschuldigen Sie gütigst, daß ich Sie von neuem mit Aufträgen plage. Unter herzlichen Grüßen stets

Der Ihrige
Louis Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 17.09.1829. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 18.10.1829.

[1] Dieser Brief ist nicht enthalten in: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, hrsg. v. Cecil Hill (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 27), Bonn 1982.

[2] Vgl. „Ankündigung der Herausgabe der grossen Passionsmusik nach dem Matthäus, von Joh. Seb. Bach”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 31 (1829), Sp. 601f. 

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.03.2016).

Cassel, 20. September 1829.

Nach Ihrem interessanten Bericht über Paganinis Spiel kann ich meine Ungeduld, ihn zu hören, kaum noch bezähmen ... Sollte er es aufgegeben haben hierher zu kommen, so würde ich ihn, so unangenehm es mir auch wäre und so wenig wie ich jetzt auch abkommen kann, nachreisen, wohin es auch sei ...