Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Herrn
Herrn Louis Spohr
Hofkapellmeister des kurfürst-
lich-Hessischen Hoftheaters
Wohlgeborenen
zu
Cassel.
 
frey.
 
 
Hochgeehrtester Herr Kapellmeister
Wohlgeborner Herr,
 
Die Beantwortung Ihres verehrten Schreibens vom 4ten d. verschob ich bis jetzt, da in meinem Briefe vom 2t d. an den Herrn Generaldirector Feige ich über die Hauptsache ausführlich Bericht erstattet hatte und dessen Inhalt Ihnen gewiß mitgetheilt worden ist.
Wie unlieb es mir ist, bis heute noch keinen Bescheid über den in meinem Briefe erwähnten Punkte hinsichtlich des hiesigen Hoftheaterengagements erhalten zu haben, brauche ich Ihnen nicht zu versichern. Ich weiß nur soviel daß der Kreis der k. Generalintendantur bereits beim Minister des Königl. Hauses1 eingereicht ist und von diesem nun wahrscheinlich erst nach der gestern erfolgtenZurückkunft Sr. Majestät vorgetragen werden wird.
Ja, ich kann wohl sagen daß, da in Ihrem verehrten Schreiben ich sah daß die Kurfürstl Generaldirection sich nicht so fest an den im Contract bemerkten Rücksendetermin heilt, es mich reute, daß die zwischen dem hiesigen Hoftheater und mir gepflogenen Unterhandlungen schon so weit gediehen waren, daß ich nicht, ohne die k. Generalintendantur zu compormittiren und überdies mir ganz zum Feinde zu machen, füglich zurücktreten konnte und nun jedenfalls auf den Ausspruch des Königs warten muß. Da nun im Laufe dieser Tage derselbe bestimmt erfolgen wird, so kann ich Sie ganz gehorsamst benachrichtigen, daß am 21t oder spätestens am 25t nachmittags(?) mein förmlicher Absagebrief in Ihren Händen oder daß an genannten Tagen ich selbst meine persönliche Aufwartung mache um wenn es noch Ihre Wunsch ist mich sogleich unter Ihre Fahne zu begeben.
In dem Fall, daß die kurfürstl. Generaldirection bereits mit andern Bassisten abschlossen haben sollte, würde ich denn sogleich meine Weiterreise nach Darmstadt und Stuttgart von wo mir vor einigen Tagen Einladungen zur Gastrollen behufs eines Engagements zugingen, veranstalten. In Betreff der Mad. Fischer aus Achen, die ich in Pesth vor 4 Jahren kennen lernte, muß ich bemerken, daß, wenn dieselbe ihre damals gezeigte Anlage zur Sängerin so ausgebildet hat, wie es damals noch nicht der Fall war so kann sich jedes Theater zu ihrer Acquisition Glück wünschen. Sie war im Besitz einer sehr klangvollen aber noch ungebildeten Stimme, eines sehr vortheilhaften Äußeren, hat einen Mann, der Liebhaber spielt der also wahrsche[inlich] auch plaisirt sein will, und war damals noch sehr unmusikalisch. Wie ich höre, soll sie auch mit dem hiesigen Hoftheater in Unterhandlung stehen.
Mögen Sie aus diesen Zeilen sehen wie sehr ich Sie verehre und wie schmerzlich es mir sein würde, wenn auch durch das hiesige Engagement viele meiner Sorgen für die Zukunft besitigt wären, nicht in näheren Verhältnissen mit Ihnen leben zu können. Empfangen Sie die Versicherung der größten Hochachtung von
 
Ihrem gehorsamsten
Zschiesche
Sänger

Autor(en): Zschiesche, August
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Feige, Karl
Fischer, Beatrix
Fischer, Karl
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Berlin
Darmstadt
Kassel
Pest
Stuttgart
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Darmstadt>
Hoftheater <Kassel>
Hoftheater <Stuttgart>
Königliche Schauspiele <Berlin>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1829081543

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Zschiesche, 04.08.1829. Der in diesem Brief erwähnte „förmliche Absagebrief“ Zschiesches ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1] Hier gestrichen: „bereits“.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.01.2017).