Autograf: Peabody Institute of the Johns Hopkins University Baltimore (US-BApi), Arthur Friedheim Library, Sign. Soren Lura Collection

Cassel den 5ten August
29.
 
Wohlgeborener,
Hochgeehrter Herr,
 
das, in Ihrem geehrten Schreiben vom 24sten Juni angekündigte, reiche Geschenk Ihres eleganten Verlags ist gestern in meine Hände gekommen und ich finde mich abermals sehr durch Ihre Güte beschämt! – Um eine Violinschule zu schreiben, in der ich meine langjährigen Erfahrungen niederlegen könnte, fehlt es mir, aufrichtig gestanden, noch immer an Lust, da ich jetzt noch immer gedrängt werde, die wenigen Stunden, die ich meinen zahlreichen Berufsgeschäften abstellen kann, der Komposition zu widmen. Doch sammle ich unter der Hand Materialien und denke über das Werk nach, um etwas Neues und Tüchtiges zu liefern. – Unterdessen wünschte ich Ihnen für die vielen Geschenke die Sie mir seit Jahren gemacht haben, ein Gegengeschenk zu machen und offerire Ihnen daher das Verlagsrecht meines Oratoriums „die letzten Dinge” in Partitur und Clavierauszug, wenn Sie glauben, durch deren Herausgabe einen Vortheil haben zu können. Die Partitur existirt noch nicht im Stich, es sind aber etwa 15-18 Abschriften davon, hauptsächlich im nördlichen Deutschland verbreitet. In Östreich existirt nur eine Abschrift, die durch Ihre Hände gegangen ist.1 Den Clavierauszug habe ich selbst verlegt, wie Sie wissen; die Ausgabe ist nun aber vergriffen und doch noch Nachfrage darnach. Auch existiren in ganz Östreich nur 9 Exemplare, die in Wien durch Ihre Vermittelung unterzeichnet worden sind.2 Ist Ihnen daher meine Offerte genehm, so nehme ich mir die Freiheit, Ihnen mit dem Verlagsrecht ein Geschenk zu machen.
Daß Sie die Quartetten Oeuvre 27 und 29 in einer neuen Auflage wollen erscheinen lassen, freuet mich sehr. Wenn Wien nicht so weit von hier entfernt wäre, mögte ich gern die letzte Correktur übernehmen, denn es ist mit der alten Ausgabe, besonders in Bezeichnung der Stricharten und Applikaturen manches falsch. Der Anfang des 1sten Quartetts von Ouevre 29 wünsche ich so geschrieben: [Nbs.]
denn es ist [ein], von Scherz aufgegebenes Thema, das meinen Namen enthalten soll [Nbs] In der Menuett des 2ten Quartetts wünsche ich eine Wiederholung auf folgende Weise:
Pag. 13. 6te Reihe [Nbs.] und dann am Schluß [Nbs.] dieß muß natürlich in allen 4 Stimmen gemacht werden.
In der Ferienzeit des nächsten Sommers werde ich höchstwahrscheinlich nach Wien kommen; dann steht mir das Vergnügen bevor, Sie persönlich der Hochachtung versichern zu können, mit der ich mich nenne
 
Euer Wohlgeb.
ergebenster
Louis Spohr3

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Haslinger
Haslinger, Tobias
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Die letzten Dinge
Spohr, Louis : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, op. 27
Spohr, Louis : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, op. 29
Spohr, Louis : Violinschule
Erwähnte Orte: Kassel
Wien
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1829080522

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Haslinger an Spohr, 24.06.1829. Der nächste belegte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Haslinger, 08.12.1831.
 
[1] Vgl. Spohr an Haslinger, 18.07.1828.
 
[2] Vgl. Spohr an Haslinger, 03.03.1827.
 
[3] Am oberen Rand der letzten Briefseite befindet sich der Empfangsvermerk des Verlags: „Spohr in Cassel / 6 Aug. 1829. / erhalten _ 11 Aug. / beantw. _“.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (28.03.2017).