Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Verehrtester Herr Kapellmeister!

Gegenwärtig in Darmstadt mich befindend, um ein Orchesterconzert zu veranstalten, ist die Nachricht eingegangen, daß H. Wild Ihre Bühne verlassen. Der an der hiesigen Hofbühne engagirte und Ihnen gewiß durch seinen Ruf bekannte wackre Tenorist Herr Ubrich, der nebst seinem höchst bedeutenden Sängertalent noch eine ganz seltene musikal. Fertigkeit besitzt wünscht an Ihrem Theater angestellt zu werden. Die wenigen in Darmstadt zur Aufführung kommenden Opern, die wenigen Spieltage überhaupt, lassen H. Ubrich als jungen kräftigen Mann von 29. Jahren mehr Beschäftigung wünschen. Die Parthien in welchen ich selbst H. U. gehört, sind: Licinius1, Ferd. Cortez, Othello, Nadori2, Hugo3, M[???]i. Sie werden daraus ersehen, daß der getragene u. declamatorische Gesang das Feld ist, auf dem er sich bewegt. Haben Sie die Gewogenheit, um Falle der Abgang des Wild gegründet ist, mich mit umgehender Post zu benachrichtigen, damit sich Ubricht selbst mit Ihnen in die diesfällige Correspondenz setzen kann.
Diesen Herbst komme ich nach Cassel und ersuche Sie im voraus um Ihren gütigen Beistand zur Veranstaltung eines Orgelconzertes.
In Frankfurt habe ich auch Ihren herrlichen Faust gehört und mich geärgert, daß Sänger, Choristen, Orchester und Director so cavalierement4 die Sache behandeln. Wenn ich nach Cassel komme, lasse ich Ihnen keine Ruh, die Oper unter Ihrer Direction zu hören. Genehmigen Sie die Versicherung meiner unbegrenzten Hochachtung, mit der ich mich zu unterzeichnen die Ehre habe

Ihr
ergebenster Diener
Zoellner

Darmstadt d. 26tn Mai
1829.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Zöllner an Spohr, 15.10.1827. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Zöllner an Spohr, 09.10.1833.

[1] Rolle in La Vestale von Gasparo Spontini.

[2] Rolle in Jessonda von Spohr.

[3] Rolle in Faust von Spohr.

[4]cavalierement, (spr. – mangh) ritterlich, auch junkerhaft, flüchtig, obenhin“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörtebuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 80).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (02.06.2023).