Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Hochgeehrtester Herr Kapellmeister

In Beantwortung Ihres verehrten Schreibens vom 30t April bin ich so frey Ihnen ganz ergebenst mitzutheilen daß es nicht allein mein völliger Ernst, mich um die durch H Siebers Tod erledigte Stelle des 1sten Bassisten beim kurfürstlichen Hoftheater zu bewerben, sondern daß es auch mein Wunsch ist, dieses Vorhaben durch Beweise meiner Fähigkeit vor Ew. Wohlgeboren recht bald rechtfertigen zu1 können.
Um so mehr ist es mir aber leid daß ich Ihnen heut noch nicht die Gewißheit meines Eintretens zu dem gütigst vorgeschlagenenen 3maligen Gastspiel am 25, 30t d. u 3t Juny melden kann sondern Ihnen ganz ergebenst berichten muß, daß ich bereits alle Schritte bey meiner Direction1 eingeleitet habe um meinen Wunsch zu realisiren. Ist dies nun nicht unmöglich worüber ich erst am 16t oder 17t d. entschieden Gewißheit verlangen kann, so habe ich die Ehre Ihnen in den letzten May tagen persönlich meine Hochachtung zu bezeigen. Wenn ich dann auch nur 2 mal, ja wenns nicht anders sein kann 1 mal singen kann, so hat das von mir aus nichts zu bedeuten. Die Wahl der beiden oder der einen Rolle überlasse ich Ihnen unter den Parthien des Sarastro3, Mephistofeles4, Mafferus5, Oberpriester in der Vestalin6, Podesta7, Caspar8.
Eine jede dieser Parthien biethet dem Musik u Gesangkenner Gelegeneit genug dar, die Fähigkeiten des Debutirenden zu erkennen und zu beurtheilen und jeder mir von Ihren privatim aufzuerlegenden Prüfung unterzeihe ich mich hochachtungsvoll und gern. Meine Engagementsbedingungen indessen9 mitzutheilen ist für mich, der ich mit10 den dortigen Verhältnissen gar nicht vertraut bin11, äußerst schwer. Ich erwarte daher Ihren Vorschlag und würde Sie ganz ergebenst ersuchen mich mit den von H. Sieber bezogenen so wie überhaupt mit dem im État für dessen Stelle stupulirten Gehalt gütigst bekannt machen zu wollen. Zu Michaelis würde ich ebkommen können; nach der am 14t d. von sämmtlichen Theateractionairs abzuhaltenden Generalversammlung werde ich aber auch Gewißheit verlangen ob ich nicht schon am 31t July von hier fortkommen kann. Für jede meiner 3 Gastrollen bedinge ich mir 15 St. Frd‘or aus und sollte es mir nicht möglich sein mehr als wie oben bemerkt 2 oder 1 Gastrollen geben zu können oder12 dieselbe nicht zum Engagement führen, würde ich denn noch um gütigen Ersatz des Schnellpostbetrages von hier nach Cassel und zurück hierher ganz ergebenst bitten.
Indem ich mir also vorbehalte am 16t oder 17t bis wohin ich Gewißheit habe ob ich 14 Tage zur Reise nach Cassel benutzen kann oder nicht, Ew. Wohlgeboren das Nähere ganz ergebenst zu berichten sehe ich Ihrer etwaigen gütigen Mitteilung hinsichtlich der Engagementsunterhandlungen dankbar entgegen. Mein Alter ist 29 Jahr, meine Stimme [Nbs. Bassschlüssel Es – fis1] und Liebe zur Musik beseelt mich, also auch die größte Hochachtung und Ehrfurcht für Sie, der ich mich nenne

Ew. Wohlgeborenen
ganz ergebenster Diener
A. Zschiesche
Sänger u Opernregisseur des
Königstädter Theaters.

Alexanderstr. N. 37b



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Zschiesche. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Zschiesche, 16.06.1829.

[1] „zu“ über der Zeile eingefügt.

[2] Zschiesche war zu diesem Zeitpunkt noch am Königstädter Theater in Berlin engagiert.

[3] Rolle in Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart.

[4] Rolle in Faust von Spohr.

[5] Rolle in Das unterbrochene Opferfest von Peter von Winter.

[6] La vestale von Gasparo Spontini.

[7] Rolle in La gazza ladra (Die diebische Elster) von Gioachino Rossini.

[8] Rolle in Der Freischütz von Carl Maria von Weber.

[9] Hier gestrichen: „ist“.

[10] „mit“ über der Zeile eingefügt.

[11] „bin“ über gestrichenem „ist“ eingefügt.

[12] „oder“ über gestrichenem „und“ eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.01.2017).