Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,125

Sr. Wohlgeb.
Herrn Wilhelm Speyer
in
Offenbach a/m


Cassel den 24sten
Januar 1829.

Geliebter Freund,

Es ist nie die Rede gewesen, daß unsere Oper den Kurfürsten nach Hanau begleiten solle1, auch würde das viel zu viel kosten, wenn auch die Frankfurter uns noch so fleißig besuchten. Überdieß haben wir in der Zeit, wo der Kurfürst dort verweilt, unsere Ferienzeit, die wir nicht schmälern lassen. Es würde mir aber Freude gemacht haben, den Frankfurtern einmal unsere Oper vorführen zu können!
Da die Sachen so stehen, so bitte ich die Partitur der neuen Oper zurück zu fordern. Herrn Guhr werde ich bey meiner Anwesenheit in Frankfurt für seine beispiellose Unverschämtheit den Kopf dermaßen waschen, daß ihm die Lust vergehen soll, ähnliches mit mir zu probiren! –
Ich habe wieder wegen Zahnschmerzen 8 Tage zu Haus bleiben müssen und dadurch sind meine Geschäfte sehr angewachsen. Bis zur Ferienzeit muß ich noch 3 Opern und ein Oratorium einstudiren. Letzteres, Christus der Meister von Fr. Schneider, soll am 1sten Pfingsttage gegeben werden. – Ries hat mir nun seine Oper eingeschickt; bey dem besten Willen werde ich sie aber nicht eher, als nach der Ferienzeit vornehmen können, da zu dem, von der Direction zur Aufführung bestimmten, die Vorkehrungen bereits getroffen werden. Ihre Beurtheilung der Oper in der Iris2 habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen können, da dieses Blatt nicht zu unserem Lesezirkel gehört. Die, in der M. Zeitung, (wahrscheinlich von Döring) ist aber viel zu lobpreisend und wird der Oper eher schaden wie nutzen.3
Mit Beginn der Ferien gehe ich mit Frau und Tochter zuerst na[ch Nord[hausen] um den 2ten Tag des Musikfes[tes] zu dirigiren; von dort über München nach der Schweitz oder nach Paris; jedenfalls aber über Frankfurt zurück. Wir freuen uns sehr darauf, Sie und die lieben Ihrigen endlich einmal wieder zu sehen. – Aus dem Br. von Ries4 ersehe ich, das Grund nun dort ist. Grüßen Sie ihn und Ries herzlichst. – Meine Oper „der Zweikampf” wird zum Geburtstage des Kurfürsten gegeben werden, muß aber noch vor den Ferien vollständig einstudirt werden.
Grüße von allen den Meinigen. Mit inniger Freundschaft stets ganz der Ihrige L. Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Der nächste Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 28.02.1829.

[1] Vgl. „Frankfurt a.M., 16 Jan”, in: Allgemeine Zeitung <München> (1829), Beilage S. 89

[2] J.B.R. [=Wilhelm Speyer(?)]„ Chronik der Frankfurter Schaubühne”, in: Iris (1829), S. 136 und 139f. 

[3] „Frankfurt a.M. im October”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 30 (1828), Sp. 744; „Die Räuberbraut. Oper in drey Akten von Ferdinand Ries”, in: ebd., Sp. 799-805 und 836f. 

[4] Vgl. Ferdinand Ries an Spohr, 16.01.1829.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (01.03.2016).